Das Leben meiner Mutter (German Edition)
feil sei.
»Kostenpunkt – hundertfünfzig Mark, nicht mehr und nicht weniger … In sieben, acht Wochen kälbert sie. Schau dir s’ an morgen, oder heut noch, wie du willst! Du zahlst mir fünfzig Mark und alle Vierteljahr wieder soviel! Was hast du für eine Einwendung?« rief er und sah mit einer gewissen frostigen Ironie in Maxls etwas überraschtes Gesicht und meinte spöttisch: »Der Schlesinger hat feine Ohren, Bäck! Er haut keinen übers Ohr. Mir kommt’s drauf an, meine Kundschaft zu halten.« Das verdutzte und freute den Maxl gleichzeitig. Er fragte aber dennoch ungläubig: »Und wenn ich im nächsten Vierteljahr nicht zahlen kann, was passiert dann?«
»Dann lass’ ich dir noch einmal vier Wochen Zeit«, setzte ihm der Viehhändler offen auseinander; »so halt ich’s mit jedem. Natürlich, wenn einer dann noch nicht zahlen kann oder will, muß ich meine Kuh wieder nehmen.« Der Maxl war nachdenklich geworden. Vermutlich überschlug er den Vor- und Nachteil des Handels genau und fand ihn ungemein nobel.
»Und sonst verlangst du gar nichts, wenn einer nicht zahlt? Ich mein’, wenn zum Beispiel die Kuh gekälbert hat, und ich hab’ das Kalb verkauft?« forschte er weiter und ließ den Schlesinger nicht aus den Augen.
»Sonst nichts als den Zins für den ganzen Preis meiner Kuh für das Vierteljahr. Das andere sind Geschäftsunkosten für mich. Schließlich hat ja der Käufer mein Stück Vieh die ganze Zeit gefüttert«, klärte ihn der Schlesinger auf.
»Hm! Sakrament, hm! Du machst es einem schon verdammt leicht, hm!« brümmelte der Maxl überlegend, kratzte sich die Schläfe, hob sein Gesicht und sagte entschlossen: »Also gut! Der Franz und ich kommen heut noch nach Starnberg hinüber. Wenn mir die Kuh paßt, ist der Handel sicher! Mein Wort drauf!«
»Na also!« schloß der Schlesinger ein bißchen selbstgefällig, »hab’ ich’s nicht gleich gesagt, daß dich nichts reuen wird? Der Schlesinger irrt sich nicht! Um halb acht Uhr bin ich wieder beim Pellet. Adjee!« Er ging raschen Schrittes aus dem Stall, schwang sich auf sein Wägelchen und fuhr in dem dünnen Regen davon.
»Wenn bei dem Geschäft kein Haken ist, dann weiß ich nicht!« brümmelte der Maxl zufrieden lächelnd, sah den Schmalzer-Franz an und sagte: »Probieren wir’s! Probieren geht über Studieren!« Er erzählte in der Stube. Alle mißtrauten der Sache. Die alte Stellmacherin brummte besorgt: »Jetzt noch eine Kuh? … Ja, Maxl, so was kannst du dir doch nie und nimmer leisten!« Aber der Maxl blieb dabei. Und – er wurde nicht enttäuscht. Die Kuh, die beim Pellet in Starnberg im Stall stand, fand der Schmalzer-Franz als durchaus einwandfrei. Üblicherweise wurde der Handel durch Handschlag und etliche Maß Bier abgemacht. Auf dem langen Heimweg rätselten der Max und der Schmalzer-Franz in einem fort herum, wo denn bei einem solchen seltsamen Geschäft der Gewinn für den Schlesinger bleibe, und sie kamen zu keinem einleuchtenden Ende. Von Zeit zu Zeit wurden sie auch wieder mißtrauisch, dann fingen sie um so heftiger von vorne wieder zu raten an. Seit nach dem Krieg die Bismarcksche Reichsverfassung den Juden endlich die volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung gebracht hatte, war der Viehhändler im Aufkirchener Pfarrgau aufgetaucht. Die großen Bauern waren gegen jeden fremden Menschen feindselig und lehnten ihn schon deshalb ab, weil sie stets nur untereinander Vieh tauschten und erhandelten, aber auch die Mittelbauern und Häusler wollten zunächst nichts mit dem unbekannten Mann zu tun haben. Der Schlesinger ließ sich’s nicht verdrießen. Er kam immer wieder. Hartnäckigkeit, die notwendige robuste Unempfindlichkeit, Geduld und Ehrlichkeit verschafften ihm die ersten Kunden. Er war ein verblüffend unzweideutiger, beim Bekanntwerden etwas schroff erscheinender Mensch, der draufgängerisch auf sein einmal gestecktes Ziel zusteuerte. Er unterschied sich durch nichts von einem Bauern, kannte ihre Gebräuche und ihre Art und war wohltuend bescheiden. Nie ließ er sich dazu verleiten, in die Stube oder Kuchl eines Bauern zu treten. Mochte man dies verübeln, mochte man ihn nötigend bitten, er sagte stets: »Mein Revier ist der Stall, basta! Wo anders gehör’ ich nicht hin.« Das wurde ihm nach und nach hoch angerechnet. »Leben und leben lassen!« schien Schlesingers Wahlspruch, und nachdem erst einmal einige Häusler, die sich schon lange nach einem Stück Vieh sehnten, Kühe bei ihm gekauft und
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