Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Gesicht bekommen. Er knirschte mit den Zähnen. Dann sagte er rauh: »Herrgott, ich weiß nicht! So ein dummes Frauenzimmer! Jetzt hab’ ich das mit der Stasl hinter mir, und schon geht’s wieder von vorn an mit dem Verdruß! Himmelkreuzherrgott!« Er tappte ein paarmal murrend hin und her, ging aus der Stube hinauf in die Kammer und zog sein Sonntagsgewand an. Später kam er nachdenklich zu seiner Mutter und war etwas ratlos.
»Was wollen wir jetzt da machen?« fragte er die Stellmacherin. »Wen hat sie denn? Warum hat sie denn nie was gesagt, beim Teufel!«
»Ich versteh’ das auch nicht«, brummte die griesgrämige Mutter, »die jungen Leut’ heutzutag’, hm! Man kennt sich nicht mehr aus!« Eigentlich hatte der Maxl im Sinn gehabt, zum Heimrath hinaufzugehn. Indessen der Zwischenfall mit der Kathl war ihm so in die Glieder gefahren, daß er nur zum Strauch nach Leoni ging und sich einen Rausch antrank. Er kam dieses Mal aber gar nicht heiter zurück. Gegen seine Gewohnheit redete er mit dem Gesellen nichts weiter als das Allernötigste und legte sich zu Bett. In den darauffolgenden Tagen kam es zwischen ihm, der Kathl und der Mutter zu einer peinlichen Aussprache. Dabei stellte sich heraus, daß die Schwester sich schon lange in den Starnberger Gendarm Sauer verliebt hatte, wirklich verliebt! Denn sie war die einzige unter den Geschwistern Graf, die ihr empfindsames Herz stets ganz verausgabte.
»Will er dich denn heiraten?« fragte der Maxl.
»Ach, hm, heiraten? Maxl? … Was weiß denn ich?« beichtete sie weinend. Eine fast staunende Hilflosigkeit lag in ihren tränengefüllten Augen.
»Ich mag ihn einfach gern, weiter nichts, Maxl! Ich weiß doch selber nicht, wie alles gekommen ist!« seufzte sie gepeinigt, wurde ein wenig ruhiger und setzte ratlos dazu: »Ich bin eben ein Weibsbild, und du bist ein Mannsbild, Maxl! Mein Gott, was sollen wir da lang reden! Ihr versteht mich ja doch alle nicht!« Sie saß am Tisch in der Stube, schlotternd und mitgenommen wie ein verprügeltes Schulkind.
»Und wie lang spürst du denn schon, daß was nicht mehr stimmt bei dir? Ansehn tut man dir ja noch kaum was?« forschte die verärgerte Stellmacherin ungut. Die Kathl aber wehrte nur matt ab, begann wieder heftiger zu weinen und klagte: »Ach, Mutter, was soll ich denn da noch sagen! Fragt doch nicht ewig so herum! Was ich mir eingebrockt hab’, muß ich ja doch selber auslöffeln.«
Nach und nach erfuhren es alle im Haus. Die Kathl konnte sich nicht mehr so schnüren. Ihr Leib wuchs, und auch den Nachbarn blieb nichts mehr verborgen. Hämisch redeten sie darüber.
Der Gendarm Sauer war ein schmucker, ungefähr dreißigjähriger Mann, den alle Weiber gern sahen. Insgeheim gab sich die Kathl oft mit ihm ein Stelldichein, nie aber ließ er sich im Bäckerhause sehen. Das fanden Mutter und Maxl besonders verdächtig. Sie murrten besorgt. Die Kathl jedoch schien sehr an ihrem Liebhaber zu hängen, und nachdem sie sich langsam in ihr Schicksal gefunden hatte, stritt sie sogar öfter mit dem Maxl, wenn der etwas Herabminderndes über den Sauer sagte. Allen Fragen, ob und wann sie denn heiraten wolle, wich sie unmutig aus. Kein Wunder, daß ihr älterer Bruder recht kritisch wurde. Auch er wollte heiraten, und sehr bald sogar, doch das Haus war zu eng für die vielen Leute. Gegen die Überlassung der Ehekammer mußte der Maxl seiner alten Mutter doch ein entsprechendes Austragsstübchen einrichten! Es fragte sich nur, wo? Er selber hatte sein Bett seit langer Zeit in der winzigen Kammer des Zwergs. Der Geselle brummte, weil der Lorenz in seiner Kammer schlief. Es war nur gut, daß der Schmalzer-Franz noch immer in seinem verkauften Anwesen bleiben durfte. Als einzige im Hause besaß jetzt nur noch die Kathl ein eigenes Stübchen, in welchem sie schlief und schneiderte. Darum war es verständlich, daß der Maxl mitunter murrte: »Herrgott! Herrgott, wo soll ich eigentlich hin heiraten?« Wenn dann seine Mutter manchmal sagte, sie könne ja bei der Kathl drinnen ihr Bett aufschlagen, schwieg er mißmutig und fast beschämt. Freilich blieb fürs erste nichts anderes übrig. Doch wenn nun die Kathl ihr Kind zur Welt brachte und womöglich doch nicht heiratete?
Ganz gewiß, die alte Stellmacherin war unfroh und eng. Allzu sehr hing der Maxl nicht an ihr. Aber wenn er ihr langes, hartes Leben überdachte, befiel ihn eine dankbare Rührung. Schwere Zeiten hatte sie mit ihrem seligen Mann und den Kindern überstanden, mit
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