Das Leben meiner Mutter (German Edition)
sich für den Maxl recht hoffnungsvoll an.
»Jaja, das denk’ ich eben auch«, stimmte er zu, »sie werden ja schließlich auch jeden Tag älter, deine Töchter, Heimrathin.« Er hatte nicht erwartet, daß die sonst so grobe Bäuerin derart zugänglich sein könne. Ab und zu, wenn sie es nicht merkte, überflog er ihr Gesicht, in dessen viele Falten sich ein widerstandsloser Altersgram gegraben hatte, und vermutlich sagte er sich: die ist auch nicht mehr ganz Herr auf ihrem Hof und merkt langsam, daß sie bald in die Ewigkeit muß. Da wird der rauheste Mensch weich und versöhnlich. – Er war zwar enttäuscht, daß die Resl nicht zu Hause war, aber im großen und ganzen hielt er doch seine Sache für gewonnen.
»Ich will keine aufhalten«, brummte die Heimrathin einmal. Angebittert klangen die Worte.
»Naja«, meinte der Maxl wiederum, »eine Heirat läßt sich ja nicht übers Knie abbrechen. Alles will überlegt sein.« Und fast mitleidig fuhr er fort: »Mein Gott, Heimrathin, du siehst auch nicht mehr zum besten aus … Ganz und gar zusammengerackert bist du! Hast auch deiner Lebtag nichts wie Verdruß und Plag’ gehabt, und vielleicht hast nicht einmal den Dank dafür.« – Er erriet offenbar, daß ein solches Reden der Bäuerin wohl tat, und unterhielt sich noch eine Weile in gleicher Weise mit ihr. Oft und oft nickte sie und murmelte: »Jaja, da hast du wohl recht.« Mit Bedacht wog er jedes Wort, das er sagte, der Klang seiner Stimme blieb behutsam, und er sprach nur von Dingen, die seiner sicheren Vermutung nach die Heimrathin interessierten. Von ihren kranken, schmerzenden «Kindsfüßen« fing er zu reden an, von seinem Pferd und seiner neuen Kuh und vom Schmalzer-Anwesen, das jetzt verkauft würde.
»Da sieht man’s«, sagte er nicht ohne Absicht, »die Schmalzerbrüder haben was gehabt, und jetzt verkommt alles. Bei mir ist’s umgekehrt.«
Endlich stand er auf und drückte der Heimrathin herzlich die Hand.
»Ich lass’ dir’s wissen«, sagte diese und humpelte mit ihm bis zur Türe. So konnte sich nur jemand benehmen, der dem Maxl gewogen war.
»Grüß dich Gott, Heimrathin! Und plag dich nicht mehr so!« rief er noch einmal von der Tür zurück und ging schnell weiter. Zu Hause sagte er kein Wort von alledem, aber den Geschwistern fiel es diesmal noch mehr auf, daß er so früh und so gar nicht angeheitert vom Strauch zurückkam.
Die Heimrathin schrie der Genovev und trug ihr auf, ihr Kind selbst zu bewachen, sie müsse zum Pfarrer nach Aufkirchen gehen. Auch sie verschwieg den Grund ihres plötzlichen Entschlusses. Die Genovev fragte auch nicht danach. Sie war nur verstimmt darüber, denn bis jetzt hatten solche Besuche beim Geistlichen meistens nur ihr und dem Peter gegolten. Fuchsteufelswild kam die Bäuerin stets zurück und war dann oft tagelang sehr ungut zu ihrer Ältesten. Weiß Gott, warum sie noch immer nicht ihr Einverständnis zur Heirat derselben mit dem Peter gegeben hatte!
Mürrisch blickte die Genovev ihrer Mutter nach, die sonntäglich gekleidet, auf ihren dicken Spazierstock gestützt, davonhumpelte. Es dunkelte schon, als sie heimkam. Man setzte sich eben an den Tisch und löffelte gemeinsam aus der großen, irdenen Schüssel das Kraut und die darein vermengten geriebenen Kartoffeln. Sonderbar schweigsam war die Heimrathin heute.
»Macht derweil die Stallarbeit fertig«, sagte sie endlich zu allen und wandte sich an die Resl: »Und du bleibst da. Ich hab’ was zu reden mit dir!« – Alle schauten verwundert auf sie. Dann standen sie auf und ließen die beiden allein.
Es wurde eine ziemlich sonderbare Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter.
»Ja, mein Gott, gesagt?« rief die Resl einmal leicht verdrießlich, »gesagt hat er schon was, der Maxl! Er sagt doch viel! … Aber weiter ist nichts gewesen.«
»Willst du ihn denn heiraten?« fragte ihre Mutter, »hast du dir’s überlegt?«
Die Resl schwieg sekundenlang und schaute halb demütig, halb besorgt geradeaus. Dann sagte sie zögernd: »Heiraten? … Hm, mein Gott, wenn’s der Hochwürdige Herr Pfarrer auch gemeint hat? Wenn der nichts gegen den Maxl hat? Was meinst denn du dazu, Mutter?«
»Jeder Mensch hat seine Fehler, Resl! Der Maxl ist der schlechteste nicht. Jede von euch wird nicht in einen Bauernhof einheiraten können«, erwiderte die Heimrathin ruhig und fügte hinzu: »Wenn die Bäckerstasl weggefahren ist, schauen wir uns dem Maxl sein Haus einmal an, wenn du willst.«
»No ja, wenn der
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