Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Peter und die Genovev heiraten, geht ja doch alles auseinander bei uns«, meinte die Resl. Sie schaute kindhaft schmerzlich auf die alte Bäuerin und schloß: »Und wenn du einmal nicht mehr lebst, Mutter, nachher ist’s auch nicht mehr schön daheim.« Ihr Kinn zitterte ein wenig.
»Gut … Ich leg’ dir nichts in den Weg, Resl«, waren die letzten Worte der Heimrathin. Mutter und Tochter seufzten kurz …
Die Heirat
Kein Wunder, jetzt bangte der Maxl nicht mehr dem Tag entgegen, an dem das Ehepaar Voshank abreisen wollte, im Gegenteil, nun verlief ihm die Zeit bis dahin viel zu langsam. Er versuchte freilich, dies niemand merken zu lassen. Die schwere Krankheit schien er ohne jeden Schaden überstanden zu haben. Er war wieder lustig und voll Unternehmungslust. Er betrank sich sogar ein paarmal mit seinem Schwager Voshank, aber er war nicht mehr so laut dabei. Noch nie hatte ein so gutes Einvernehmen im Bäckerhause geherrscht. Alle Geschwister hatten volles Vertrauen zu ihrem ältesten Bruder. Nur die alte Stellmacherin, nüchtern, zweiflerisch und kleingläubig, wie sie nun einmal durch das Leben geworden war, konnte sich nicht mehr recht in all die Veränderungen hineinfinden, die Maxls kühne Weitsicht erwirkt hatte und noch immer von neuem schuf. Für sie glich dieser Sohn zu deutlich dem Kastenjakl, über dessen trauriges Ende sie oft sprach, wenn sie etwas, was der Maxl unternahm, nicht begreifen konnte. Einmal in jenen Tagen zum Beispiel hielt das kleine Wägelchen vom »Jud’ Schlesinger« vor dem Stall des Bäckerhauses. Der hünenhafte, muskulöse Viehhändler in seinem hellen, dicken Lodenmantel und den derben Kniestiefeln stieg ab, schüttelte sich den Regen ab wie ein nasser Hund und trat in den niederen, sauberen Stall.
»Bist du der Bäck?« fragte er nach einem kurzen Gruß den Schmalzer-Franz, der dem Pferd gerade das Futter in den hölzernen Trog schüttete; und als dieser verneinte, sagte er wiederum so herrisch karg: »Hol ihn … Ich bin der Jud’ Schlesinger und hätt’ was zu reden mit ihm.«
»Wir brauchen doch kein Vieh! Da wirst du kein Glück haben!« rief der Schmalzer-Franz ziemlich abweisend, aber der Schlesinger ließ sich nicht beirren davon, schüttelte seinen massigen Kopf, daß sein dichter, dunkler Schnurrbart zitterte, und rief laut: »Das macht nichts! Auf Glück hab’ ich mich nie verlassen … Hol den Bäck!«
Durch den Lärm angelockt, waren Maxl, Stasl und Voshank in den Stall gekommen und musterten den Viehhändler nicht gerade freundlich.
»Ja, wer ist denn jetzt von euch der Bäck?« fragte dieser mit seiner rauhen Stimme, der man es anhörte, daß sie mehr für das Vieh als für Menschen bestimmt war.
»Ich! – Was willst du?« erwiderte der Maxl nicht minder barsch. Das schien dem Schlesinger zu gefallen, denn nun glitt über seine fast finsteren Züge ein leichtes Lächeln, wobei seine blanken, mandelgroßen Zähne unter dem tropfend-nassen, hängenden Schnurrbart sichtbar wurden.
»Ah«, sagte er wie erfreut, »das ist ein Männerwort! Ich bin der Jud’ Schlesinger!« und ohne jeden Übergang setzte er dazu: »Ich hab’ eine schöne Kälberkuh für dich. Es wird dich nicht reuen, wenn du sie nimmst.« Der Maxl schaute dem kaltschnäuzigen Menschen scharf in die glänzenden, lebhaften braunen Augen, lächelte ebenfalls ein wenig und antwortete gelassen: »Da sollst du schon früher nachgeschaut haben. Jetzt hab’ ich schon eine Kuh. Für zwei langt mein Geld vorläufig nicht.«
»Geld? … Was heißt Geld?! Der Schlesinger gibt ehrlichen Kredit! Halsabschneider bin ich keiner! Frag herum bei den Leuten!« warf der Viehhändler ein und ließ nicht locker: »Du bist Geschäftsmann, und ich bin einer … Deine Kundschaft wird auch nicht immer sofort zahlen, oder?«
»Das nicht!« mußte der Maxl zugeben, und man sah ihm an, daß ihn der Mann interessierte.
»Na also! … Da haben noch zwei oder drei Küh’ Platz, Bäck! Ein schöner Stall ist das!« meinte der Viehhändler und blickte rundherum, griff die kauende Kuh an, wandte sich wieder an den Maxl und sagte erneut: »Laß reden mit dir!«
»Keine Angst, der haut mich nicht übers Ohr«, wisperte der seiner Schwester und dem Voshank zu, und sie gingen aus dem Stall. Nur der Schmalzer-Franz blieb und fütterte die Kuh. Der Schlesinger trat näher an den Maxl heran und erklärte ihm, er habe beim Wirt Pellet in Starnberg eine Kälberkuh untergestellt, ein gediegenes Stück Vieh, das ihm
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