Das Leben meiner Mutter (German Edition)
ernst. Einen Herrgott gab es sicher, indessen der hatte doch all diese umständlichen Regeln nicht erfunden und angeordnet.
Der Maxl schob die leere Schüssel weg, als jetzt im Gang draußen Stimmen vernehmbar wurden. Gespannt sah er zur Türe, und er fühlte, wie sein Herz ein wenig heftiger schlug.
»Grüß dich Gott, Resl«, sagte er lächelnd, als diese mit ihrer Mutter hereinkam, erhob sich, ging auf sie zu und drückte ihr die Hand.
»Jaja, grüß Gott«, antwortete die Resl ebenso und hatte ein seltsam vieldeutiges Gesicht. Auch sie lächelte und meinte leichthin: »Du Tropf, du … ganz hinterlistig hast du’s gemacht, das mit der Heiraterei!«
Die Heimrathin, die offenbar eine so unverblüffbare Nüchternheit von ihrer Tochter nicht erwartet hatte, bekam fast eine ärgerliche Miene und befahl, sich zu setzen.
»Also, wie ich schon gesagt hab’, Maxl«, fing sie an, zählte wiederum auf, was die Resl mitbekomme, erwähnte das Stuhlfest und kündigte an, daß sie mit ihrer Tochter im Laufe der nächsten Woche zu Besuch ins Bäckerhaus nach Berg komme. Die Resl sagte nichts. Ihr Lächeln wurde langsam verlegen und gefror schließlich. Nur noch manchmal lugte sie dem Maxl in die Augen, dann wieder schlug sie die ihrigen nieder, und man merkte, daß sie sich jetzt erst klar darüber zu werden schien, was ihr bevorstand. Zuletzt hatte sie ein fast hilflos trauriges Gesicht, und um nur irgendwie ihre innere Bewegtheit zu verbergen, drückte sie ein um das andere Mal ihren breiten Zeigefinger auf die Brösel, die von der aufgegessenen Nudel auf dem Tische liegengeblieben waren, führte die Fingerspitzen zum Munde und leckte sie ab. Auch der Maxl, der sich fortwährend bemühte, eine unangefochtene Miene zu machen, war etwas verlegen und ließ die Heimrathin reden.
»Und wann willst du denn heiraten? Entweder wir setzen die Hochzeit im November an oder nach Neujahr. In der Adventszeit kann man sie nicht machen. Solang es Winter ist, haben wir am besten Zeit. Im Frühjahr, wenn die Arbeit wieder angeht, wär’ so was recht ungeschickt für uns«, erklärte die Bäuerin und sah den Maxl an.
»Jaja, mir ist’s recht, wie du meinst, Heimrathin«, sagte er nickend und wandte sich an die Resl: »Was sagst denn du dazu, Resl?«
»Ja, hm, mein Gott, wenn’s sein muß, mir ist’s doch gleich«, erwiderte diese aus einem bedrängenden Nachdenken heraus.
»Ja, Herrgott, heiraten tust doch du!« murrte sie die Bäuerin an, »du hockst doch auf einmal da, als wenn du gar nicht magst!« Barsch klangen die Worte.
»Jaja! Ich hab’ doch gar nichts dagegen! Ich will ja Bäkkerin von Berg werden, Mutter!« sagte die Resl verborgen kummervoll, wurde aber dann wieder sachlich und setzte dazu: »Im Winter haben wir freilich am meisten Zeit, und bei dir ist doch da die Arbeit auch weniger, Maxl, oder?« Jetzt verfingen sich die Blicke der beiden. Der Maxl gab sich einen Ruck und streichelte mit der Hand über Resls glatt zurückgekämmtes Haar.
»Ja, Resei!« sagte er aufgelockert und ein wenig zärtlich und streckte ihr die Hand hin: »Also schlag ein! Sagen wir – im November! Ich versprech’ dir, als Bäckerin von Berg hast du es nicht schlecht.« Sie gab ihm die Hand. Flughaft wurde sie rot, dann blaß.
»Gut, also jetzt ist alles ausgemacht«, schloß die Heimrathin. Herzlich verabschiedete sich der Maxl von den beiden. Als er außer Sichtweite war, sah die Bäuerin ihre unschlüssig dastehende Tochter ungut und strafend an und brummte: »Du bist ja dagehockt wie ein Hackstock! Was ist denn auf einmal mit dir? … Reut dich denn auf einmal alles?«
»Gar nicht, Mutter«, antwortete die Resl und blickte ihr in die Augen, »aber das ist doch nicht so einfach, von daheim fortmüssen in ein fremdes Haus voller Geschwister … Hart werden wir’s haben, der Maxl und ich, bis alle weggeheiratet haben. Gegen den Maxl hab’ ich gar nichts, absolut nichts! Er ist mir ganz recht.« Dann ging sie wieder in die Tenne hinauf zum Dreschen.
Der Maxl erzählte nur seiner Mutter von seinem Besuch in Aufhausen und meinte, es sei am besten, schnell zu heiraten, denn wenn erst die Kathl ihr Kind geboren habe, könnten sich vielleicht die Heimraths doch »schrecken« und sich im letzten Augenblick noch eines anderen besinnen. Sein Gesicht war keineswegs so wie das eines glücklichen Liebhabers, im Gegenteil, es war unruhig besorgt wie das eines Menschen, auf den auf einmal viel eingestürmt ist, und der nun gewissermaßen nach
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