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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Heiraten müßt ihr jetzt schon erst im Frühjahr. Der Hochwürdige Herr Pfarrer meint auch, eher kann man’s nicht machen.« Das klang nach fester, unwiderruflicher Abmachung und befriedigte den Maxl vollauf.
    Die Heimrathin schien überhaupt wie umgewandelt. Sie fand nur wenig auszusetzen. Wohl bemerkte sie hin und wieder flüchtig, daß das Haus eng genug sei, indessen jeder konnte daraus hören, wie wenig herabmindernd, wie einsichtsvoll und nachsichtig das gemeint war. Auf dem etwas verwirrten, ernsten Gesicht der Resl hingegen lag eine deutliche, beinahe angstvolle Enttäuschung, als man durch die Räume des Bäckerhauses ging. Wohn- und Backstube, ja, die waren wenigstens noch einigermaßen geräumig, jede andere Kammer aber – du lieber Gott, wenn sie da an das weitläufige, luftige Bauernhaus in Aufkirchen dachte! Der saubere Stall und insbesondere die zwei Kühe imponierten ihr ebenso wie ihrer Mutter. Bis jetzt hatten sie doch nur von einer Kuh gewußt und waren angenehm überrascht. Der Maxl, der dies merkte, deutete auf den leeren Raum im Kuhstand und sagte lächelnd, daß hier das einjährige Kalb genug Platz habe, und erwähnte nicht ohne Stolz, daß er’s auf vier Kühe bringen wolle. Das nahmen die Aufhauser sichtlich gut auf. Hinten im Hof blieb der Maxl wiederum länger vor dem zerfallenen Wäscherhäusl stehen und erklärte halblaut, was er damit im Sinne habe. Hierher waren Mutter und Kathl nicht gefolgt.
    »Das möcht’ ich ausbauen, damit die Kathl drinnen Platz hat«, schloß er, »dann wird das Haus leerer.« Vertraulich sagte er es, und die Heimrathin verstand.
    Wieder in die Stube zurückgekommen, setzte man sich um den Tisch, und die Stellmacherin trug Kaffee auf. Der Maxl hatte einen süßen Zopf aus Semmelteig gebacken, in welchem Rosinen steckten. Ruhig und freundlich unterhielten sich die Heimrathin und seine Mutter. Nicht der geringste Mißton kam auf. Nach und nach wurde es gemütlicher, und die beiden alten Weiber lächelten einander müde an.
    »Mein Gott, wir sind auch einmal jung gewesen. Heiraten muß jede einmal«, sagte die Stellmacherin zur Aufhauserin und blickte auf den Maxl. »Er ist seiner Lebtag ein fleißiger Mensch gewesen, und im Kopf hat er auch was. Jeder hat seine Untugenden.« Die Heimrathin nickte und sah das zukünftige Paar an.
    »No, Resl, wie hat dir denn das Anwesen gefallen?« fragte sie aufgelockert.
    »Jaja, ganz passabel«, nickte die Befragte und versuchte ein bißchen zu lächeln, doch es gelang ihr nicht recht.
    Der Maxl schaute sie gutmütig an und sagte: »Resl, alles hat einmal klein angefangen! Laß dir nur Zeit! Wenn wir verheiratet sind, kommt erst der richtige Schwung ins Haus! Wir sind ja noch jung.« Sie sah ihn schief und ein wenig ungläubig an.
    Die Leute in der Pfarrei erfuhren schon deshalb sehr schnell von der bevorstehenden Heirat, weil man weder in Berg noch in Aufhausen daraus ein Geheimnis machte. Das zukünftige Paar ließ sich auch schicklicherweise bei allen Tanzveranstaltungen und sonstigen Gelegenheiten sehen, und der Maxl – gleichsam als wolle er allen Feinden seinen errungenen Triumph besonders deutlich vor Augen führen – benahm sich dabei absichtlich laut und übermütig. Das brachte die Heimrathsche Verwandtschaft und die wohlhäbige Bauernschaft in größte Wut. Sie bestürmten die Aufhauser Bäuerin, sie machten ihr bittere Vorwürfe und flüsterten ihr allerhand Nachteiliges über ihren zukünftigen Schwiegersohn zu. Der Müller März in Berg war außer sich. Er kam eines Tages zu seiner Schwester nach Aufhausen und verlangte offen, die Heirat müsse unbedingt rückgängig gemacht werden, das sei – wie er sich ausdrückte – »ein ewiger Schandfleck für die ganze Familie und Verwandtschaft, wenn ein solcher Windbeutel wie der Maxl« die Resl zur Frau bekomme. Es kam zu einem heftigen Streit. Die Heimrathin ließ sich aber nicht schrecken und blieb ihrem Bruder nichts schuldig.
    »Das eine sag’ ich dir«, plärrte dieser wutrot, »von uns geht keiner zu dieser Lumpenhochzeit! Die Schand’ könnt ihr allein austragen!« Die Bäuerin sah ihn mit hohnscharfen Blicken an und fragte hämisch, ob denn der ortsfremde Schreiner Wammetsberger, der die Müller-Marie geheiratet habe, besser gewesen sei als der Maxl? Darauf konnte der Müller nicht gleich etwas erwidern, und um ihm keine Zeit zu lassen, schrie ihn die Heimrathin noch derber an: »Ob ihr bei der Hochzeit dabei seid oder nicht, das verschmerzen wir

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