Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
wirklich mehr Hoffnung bekommen und bildete mir ein, ein Schriftsteller zu sein.
    Ich wußte, daß ich den Maxl nicht zu sehen brauchte. Mutter, Theres und Emma wohnten ja im Kramerhaus. Ich schämte mich aber doch, so daherzukommen, obgleich ich mir von Schritt zu Schritt Mut machte. Es ist seltsam: Fremden Leuten, selbst Freunden kann man etwas vormachen, das nach eigener Bedeutung aussieht, in der Familie geht das nicht. Da verlischt jeder falsche Schein, und keine noch so glaubwürdige Phrase wird ernst genommen.
    Ich wollte nur ein paar Tage bleiben und sehen, wie denn nun Mutter, die damals vor Eugens Abfahrt in München so gar kein Aufhebens davon gemacht hatte, den Wegzug vom alten Haus und das Eingewöhnen in die neue, sicher weit engere Umgebung überstanden hatte.
    Als ich den Leoniger Berg hinter mir hatte, sah ich von weitem zwei hochgewachsene, schlanke Mädchen in Sonntagskleidern und einen kleineren, elegant aussehenden jungen Herrn, die heiter lachten und nach mir spähten. Sie kamen näher, und auf einmal riefen sie gleicherzeit: »Jaja, um Gottes willen, der Oskar!« Es waren Theres, Emma und Maurus, der in letzter Zeit eine Stellung in München hatte und wegen einer Hautkrankheit aussetzen mußte.
    »Ja, Mensch, wie siehst du denn aus? So kannst du dich doch gar nicht sehen lassen, Kerl!« rief er unfreundlich und maß mich von oben bis unten. Emma mußte lachen wegen meiner langen Haare. Er blieb bei seiner verächtlichen Feindseligkeit und sagte: »Nehmen wir ihn lieber in die Mitte, daß ihn keiner sieht.« So gingen wir, immerzu ängstlich herumspähend, ins Dorf hinein. Von dieser Seite her kam man an keinem Haus vorüber. Wir passierten ungesehen den Obstgarten vom Kramerhaus und kamen in die winzige Kuchl zur Mutter.
    »Ja! Ja! … Oskar?! … Ja, jetzt so was! Bist jetzt wieder da?« sagte sie und lächelte ihr kärgliches Lächeln, »schaust aus wie ein junger Christus! … Magst einen Kaffee?« Ruhig sah sie aus und schien sich also doch schon in alles gefunden zu haben. Nur ihre Haare waren gänzlich ergraut.
    Begreiflicherweise redete der Maurus kaum etwas mit mir und hielt sich abseits. Er warf höchstenfalls einmal eine scharfe Bemerkung hin. Auch die Theres machte kein allzu gutes Gesicht und blieb einsilbig. Ich versuchte das alles zu übersehen und unterhielt mich nur mit Emma und Mutter.
    »Was hast du denn da drunten in Italien immer gemacht? Wovon hast du denn gelebt?« fragte Emma interessiert.
    »Na, man hat gebettelt, gepumpt und oft gehungert, aber ich hab’ viel gesehen, und es ist sehr schön gewesen … Ich hab’ auch allerhand geschrieben« , antwortete ich und versuchte, so gut es ging, eine freche Harmlosigkeit zu spielen.
    »Ha, geschrieben? Hm-ha!« stieß Maurus heraus, »wenn du dich nur von der Arbeit drücken kannst, das paßt dir! Charakter hast du überhaupt keinen! Auswurf bist du! Der Maxl hat dich viel zu wenig geprügelt.« Er warf einen giftigen Blick auf mich und stand auf.
    »Mein Gott, jetzt geht da heroben auch schon wieder das Streiten an!« rief Mutter und nahm mich in Schutz: »Der Oskar besucht mich, daß du’s weißt«
    »Ich bleib’ schon nicht! Ich geh’ schon wieder!« sagte ich zum Maurus. Der gab nicht weiter an und ging aus der Kuchl. Die ganze Zeit ließ er sich nicht mehr sehen. Eine Weile blieb es peinlich still.
    »Über Nacht bleibst du aber schon?« wandte sich Mutter an mich, »bei deiner eigenen Mutter wirst du doch noch bleiben dürfen … Der Nanndl und dir haben sie nichts lernen lassen, und jetzt regen sie sich alle auf!«
    »Ja, bleib nur da, Oskar! Bleib nur!« hastete Emma gedämpft heraus und versuchte zu lächeln, »du bist halt unser verlorener Sohn.« Und sich an Mutter wendend, sagte sie versöhnlich: »Reg dich doch nicht so auf, Mutter!« Bedrückt löffelte ich den Kaffee aus und aß die Schmalznudel dazu, während Mutter die dampfenden Frühkartoffeln, Topfen und gestöckelte Milch auf den Tisch stellte.
    »Magst du das noch?« fragte sie, und ich nickte. »Ja, und wie gern! Das hab’ ich schon lang nicht mehr gegessen.« Nach frischer Ackererde rochen die Kartoffeln. Langsam beruhigte sich Mutter und musterte mich.
    »Hm, mit deinem langen Haar könnt’st gleich in Oberammergau spielen, bloß den Bart müßt’st du dir noch wachsen lassen«, scherzte sie und fragte: »Gehn s’ denn da drunten in Italien alle so rum?« Ich versuchte auch zu lächeln, aber es gelang mir nicht.
    Der Maurus kam nicht zum

Weitere Kostenlose Bücher