Das Leben meiner Mutter (German Edition)
sich längst an die billigeren eisernen Erntegeräte gewöhnt, die in den neuerstandenen Fabriken der Städte hergestellt wurden.
Zuweilen machte es ganz den Anschein, als sei der Max Graf so ein Sonderling wie der Kastenjakl, mit dem er zum Leidwesen des alten Stellmachers sehr gut auskam und vieles besprach. Manchmal wiederum saß er einen ganzen geschlagenen Tag und eine halbe Nacht in der niederen Stube, kramte in allen möglichen Papieren und machte irgendwelche Niederschriften. Deswegen gab es oft Streit zwischen seinem Vater und ihm, und auch die Stellmacherin murrte, denn das Petroleum war rar und teuer. In seinem Zorn schrie der Max bedenklich laut: »Gut! Ich zahl’ mir mein Öl und meine Lampe selber!« Und er tat es auch wirklich. Aber, meinte der Stellmacher erbost, was er denn da schon heraussuche aus den unsinnigen Papieren, ob ihm das vielleicht was eintrage?
»Ja!« sagte der Max fest, »du hast dich nicht darum gekümmert, und wenn ich nicht nachgeschaut hätt’, könnt’ ich wieder fortgehn.« Und er erinnerte den Alten an die Bäckerei-Gerechtsame, die auf dem Haus liege, wovon seinerzeit der »schwarze Peter« selig manchmal gesprochen habe. »Und?« fragte der Stellmacher erstaunt, »und? Was willst damit sagen? Kannst du vielleicht eine Bäckerei anfangen? Du? Ohne Geld und Werkzeug?« – »Und wo jeder Bauer sein Brot selber backt!« warf die Stellmacherin ebenso hin. Der Max aber schaute starr in die leere Luft, knirschte mit den Zähnen und antwortete entschlossen: »Und wenn der Teufel alles holt, ich probier’s! Es bleibt mir schon nichts anderes übrig.« Er ging auf und davon und suchte den Kastenjakl auf. Er saß lange mit ihm beisammen. Sie schrieben die nötigen Eingaben an das Bezirksamt.
»Maxl«, sagte der Maxhöher, »du weißt ja, dein Vater mag mich nicht! Er schämt sich wegen mir. Ich bin ein Lump für ihn. Er ist einer, der lieber verhungert, eh’ er wo zugreift. Er sieht und hört und merkt nichts, daß wir eine andere Zeit haben, und ich wett’, er wird dir’s hart machen, bloß deswegen, weil er weiß, daß ich dir beispring’ …« Er hielt einen Augenblick inne und setzte leicht boshaft dazu: »Lump muß man sein, Maxl! Nur als Lump zwingt man die lumpige Welt. Laß dich nicht irr’ machen, Maxl – zuletzt heißt’s doch, man ist ein recht ordentlicher, tüchtiger Mensch gewesen.«
Die Alten und die Jungen
Der Backofen vom Heimrath, der ungefähr zwanzig Schritt weit entfernt vom Stall im sanft abwärtshängenden Obstgarten stand, sah fast wie eine kleine Kapelle aus. Das fensterlose viereckige Gemäuer war weiß getüncht und hatte vorne ein niederes zweiflügeliges Tor. Das bemooste Ziegeldach lief spitz wie eine Tüte zusammen, und aus dieser Spitze ragte der verrußte Kamin empor. Heute stand das Tor weit offen, im Lehmofen verglommen die Reste der verbrannten Scheite, und im dünn aufsteigenden Rauch flogen manchmal winzige Funken, die nach kurzer Weile auf das Dach oder ins satte Grün des Gartens herniedersanken und verlöschten.
In der Kuchl formte die Resl den roggigen Teig zu großen Laiben, legte sie auf mehlbestreute Bretter, bestrich ihre glatten Oberflächen mit einem nassen Flederwisch, streute Kümmel und Anis darauf und stach mit dem weitzahnigen Haarkamm, den die ganze Familie benützte, reihenweise Löcher in die Laibe. Sehr eilig hatte sie es, denn es war ein heißer Tag im späten August, und sie mußte noch aufs Feld. Da sie aber die Kräftigste war, den schweren Teig am besten zu kneten verstand, und ihr Brot stets gleichmäßig geriet, beauftragte die Heimrathin, die mit der Zeit schon ein wenig altersmüd geworden war, sie stets mit dieser Arbeit. Das Ausbacken besorgte die Bäuerin selber.
Die Resl dampfte vor Schweiß. Die Tür zum Hof und die Tür zum Gang zwischen dem Stall waren offen. Die durchziehende Luft trug nur noch mehr Hitze in den Raum. Die Resl steckte ihre teigverklebten Hände ins Mehl und rieb sie trocken.
»Laß es nicht lang stehen«, sagte sie zu ihrer Mutter, betastete noch einmal die Laibe und meinte, bei einer solchen Hitze ginge die Gärung arg schnell. Als sie an den Pumpbrunnen vor der Türe gehen wollte, fuhr der Bruder der Heimrathin, der jetzige Müller von Berg, in den Hof und brachte drei Säcke Mehl. Der lange, hagergesichtige Mensch grüßte die Resl, sie erwiderte kurz, er bückte sich und schaute in die Kuchl, nahm einen Sack auf die Schultern und trug ihn in die Speise.
»Soso, du
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