Das Leben meiner Mutter (German Edition)
»heiraten« in seinem nüchternen Umfang noch gar nicht und gestand sich doch: »Hm, den heiraten? Ich? … Der? … Der verdirbt doch noch einmal, genau so wie der Kastenjakl samt seinem frechen Mundwerk!« Und überhaupt – heiraten! Bis jetzt war das weder der Bäuerin noch ihren Töchtern irgendwie in den Sinn gekommen.
Die Resl kam auf dem Weizenacker an und begann, das verstreute Getreide zusammenzurechen. Als man später im Schatten der vollen Fuhren das Vesperbrot verzehrte, erzählte sie die Neuigkeiten, die der Müller gebracht hatte. Die über den Kastenjakl wußte schon jeder. Davon sprachen sie kaum. Nur der Much-Girgl sagte: »Da hat er’s jetzt, der Kastenjakl! Ein komischer Kerl! Bauer will er nicht sein, und was anderes ist er erst recht nicht! Mit seinem ewigen Spekulieren hat er sich doch recht saudumm verrechnet! Jetzt weiß er nicht mehr weiter und ist verdorben!« Und gleichgültig setzte er nach einer Weile hinzu: »Für einen Baugrund mag ja der Leoni-Acker ganz gut taugen, sonst war er nichts wert. Froh bin ich, daß wir wegen dem bißl, was wir von da jedes Jahr heim’bracht haben, nicht mehr so weit laufen brauchen. Das hat er gut gemacht, der Kastenjakl!«
Viel mehr interessierten sich alle für den waghalsigen Stellmacher-Maxl von Berg, und auch sie rätselten herum, wo er das Geld zum Bauen herbekommen habe. Der Sepp, der rothaarige Knecht mit den großen Pferdezähnen und den vielen Sommersprossen, war am vergangenen Sonntag in Berg gewesen und meinte: »Grad großartig wird’s, das lumpige Stellmacherhäusl, und der Maxl ist übermütig wie ein junges Roß!«
»Mit seiner Kriegspension wird er das kaum machen können«, meinte der Much-Girgl und zerkaute das altbakkene Brot.
»No«, meinte die Liesl, »vielleicht hat er sich schon eine Bauerntochter rausgesucht und baut auf Kredit. Wenn sie dann Geld mitbringt, ist’s gleich weg.«
»Er ist ja so kein unrechter Mensch, der Maxl«, murmelte der Much-Girgl. »Recht lustig kann er sein. Er schlägt gar nicht ins Stellmacherische, eher hat er schon was vom Kastenjakl, und dumm ist er auch nicht.«
»Aber wer will ihm denn sein Brot abkaufen?« warf die Genovev hin.
»Jaja, das ist eine andere Frag’«, sagte der Much-Girgl, aber die Liesl war der Ansicht, daß es doch am See drunten eine Menge feiner Leute gäbe, da sei vielleicht doch ein Geschäft zu machen. Die Resl wiederum sagte: »Vielleicht geht’s ihm grad so wie dem Kastenjakl. Es schaut aus, als wie wenn er grad so hoch hinaus will wie der!« Da schaute der Much-Girgl verstohlen grinsend um die Runde, musterte jede Heimrath-Tochter grinsend und spöttelte: »No, was kann man sagen. In Aufhausen seid ihr allein schon fünf, und die Zeit vergeht. Dürft’s dazutun. Vielleicht wird gar eine Bäckerin von Berg!«
»Ja, freilich! … Von uns wird eine so einen vorlauten Notschnapper nehmen«, rief die Genovev und fügte dazu: »Und mit’m Glauben ist’s beim Stellmacher auch nicht weit her.«
»Ein armer Mensch kann’s auch zu was bringen«, schloß die Liesl. Der, von dem sie so lebhaft sprachen, wurde in der ganzen Pfarrei viel beredet, und er gab auch manchen Anlaß dazu. Wiewohl er – was niemandem verborgen blieb – mit seinen Eltern und Geschwistern wegen seines Vorhabens hartnäckig herumhaderte, wenngleich er fast knauserig sparen und berechnen mußte und keineswegs sicher war, ob die Bäckerei sich rentieren würde, nichts focht ihn an. Wenigstens schien es so. Seinen alten Vater, der immer griesgrämiger und eigensinniger wurde, schrie er während eines Streites einmal grob an: »Was verstehst denn du, Herrgott! – Hundertmal hab’ ich mich als Handwerksbursch halbtot gehungert! Vom Krieg, hab’ ich gemeint, komm’ ich nicht mehr heim! Wie sie mich bei Orleans durch die Hand geschossen haben, bin ich zwei Tag’ und zwei Nächt’ auf’m Acker gelegen und hab’ gemeint, jetzt ist’s aus! Und wie sie mich gefunden haben, bin ich angefroren gewesen. Gemeint haben sie, ich bin mausetot und werfen mich zu den Leichen! Und gerührt hab’ ich mich! Und jedesmal bin ich aus dem Dreck und Schlamassel ’rausgekommen! Herrgott nochmal. Vater! Versteh’ mich doch! Unsereins kann doch gar nichts Elendigeres mitmachen! Unsereins sagt sich: Den Kopf kostet’s nicht, basta! … Das Ärgste ist doch bloß, daß ihr mir auch noch Prügel zwischen die Füß’ werft!«
Weit heftiger stritt er mit seinen Geschwistern, die ihm dauernd Vorwürfe
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