Das Leben meiner Mutter (German Edition)
kaum wert, daß ihr wegen so einem bißl fast dreiviertel Stunden von Aufhausen herüberlaufen müßt …« Das traf zu. Das war der weitest abgelegene Heimrath-Acker.
»Wo man was hat, da holt man’s«, meinte der Much-Girgl und lachte.
»Warum nicht!« lächelte der Kastenjakl ebenso und schaute hinauf zur Resl. »Aber, Resei, sagst es nicht selber, zu meinem Haberacker auf’m Aufkirchener Hang wär’s leichter …« Auch das traf zu. Zur Maxhöhe gehörte ein schmaler, langer Ackerstrich unterhalb von Aufkirchen, der mitten in den weiten Feldern vom Heimrath lag. Kaum ein richtiger Weg führte dorthin.
»Aha!« spöttelte der Much-Girgl erneut, »ich hör’ dich schon schleichen; willst schon wieder einmal handeln, Tropf, windiger!« Der Kastenjakl lächelte gemütlich und rief erfrischter zur Resl empor: »Ich will doch einmal reden mit deiner Mutter, Resei …, nachher braucht ihr nimmer so weit laufen.«
»Jaja, aber paß auf, daß sie gut aufg’legt ist«, rief ihm die Resl nach, als er weiterging. Die Heimrathin war sehr oft kritisch gelaunt, und wer ihr bei solcher Gelegenheit in den Weg lief, der erriet es schlecht. Auch ihre Kinder standen alle mit den Dienstboten auf vertrauterem Fuße als mit ihr. Der Kastenjakl wußte das sehr gut. Er spekulierte schon lange darauf, den Acker oberhalb Leoni gegen den seinen einzuhandeln, aber bis jetzt war ihm das noch nicht gelungen. Alles mögliche hatte er schon probiert. In finsteren Nächten umschritt er manchmal das Grundstück, blieb stehen am Rand des steil abfallenden Hügelkammes und schaute hinunter auf die weite, stille Fläche des Sees. Er knirschte mit den Zähnen und brummte: »Es muß mir gehören, es muß!« Er schleppte einen Sack mit, lauter Steine waren darin. Er schlich spähend über den sprossenden Acker und übersäte ihn mit den Steinen. Die Sensen der Aufhauser wurden schartig davon. Er grub Engerlinge aus und pflanzte sie heimlich in den Heimrath-Acker. Am liebsten hätte er nachts nach der Aussaat Gift gestreut oder den reifen, wogenden Segen angezündet. Doch das war zu riskant.
Er freute sich, daß heuer das Korn auf dem Leoniger Heimrath-Acker so miserabel ausgefallen war. Schneller und schneller ging er. Er schaute nicht mehr nach links und nicht mehr nach rechts. Eine Villa nach der anderen wuchs in Leoni auf. Der Fischer Gastl hatte dem Stellmeister Hornig ein Stück Laubwald verkauft, und schon wieder arbeiteten Maurer auf dem Baugrund.
Der Kastenjakl kam in der Maxhöhe an, grüßte den Knecht kaum und verschwand sogleich in seiner Stube, in die er noch nie jemanden hineingelassen hatte. Er riegelte die Türe zu, ging an die Kommode, zog eine Schublade auf und holte zusammengerollte Papiere hervor. Er war seltsam erregt, und seine Augen funkelten. Er breitete einen Plan über den Tisch, der die Grundrisse eines schloßähnlichen Gebäudes zeigte. Er hockte sich hin und fing zu rechnen an, prüfte, maß und rechnete bis tief in die Nacht hinein. Das dünne, durchsichtige Dunkel stand regunglos vor den Fenstern, der hohe Mond warf sein bleiches Licht schräg durch die Obstbäume, die Sterne blinkten, und es war totenstill in der Stube und draußen. Nur das Lispeln des rechnenden Andreas und das Rascheln des Papieres unterbrachen diese Stille manchmal. Eine längere Weile saß er nachdenklich da und schaute vor sich hin, endlich stand er auf, ging vor die Tür, holte tief Atem und schaute in die Gegend, wo der Heimrath-Acker lag.
Am andern Sonntag war Jahrmarkt in Aufkirchen. Die ganzen Leute der Pfarrei waren zusammengeströmt und tummelten sich auf dem Platz zwischen der Kirche und dem Finkschen »Gasthaus zur Post«. Laut und lustig ging es hier und in der übervollen Wirtsstube zu. Der Kastenjakl drückte sich durch das Menschengewühl, das die Verkaufsbuden umlagerte, und stand schließlich vor den zwei ältesten Heimrath-Töchtern, der Genovev und der Resl, die sich einen Rosenkranz kaufen wollten.
»Resei! Vevei! Geht’s her!« sagte er fidel und zog seinen Beutel. Die herumstehenden Burschen lachten. Jeder Heimrathtochter kaufte er einen Rosenkranz, dann zog er die stämmige Resl weiter, schenkte ihr ein großes Lebkuchenherz und führte sie zum Met wie ein Junger.
»Schaut’s ihn an, den alten Knacker! Schau, schau! Auf was Junges ist er aus!« rief einer der Burschen spöttisch, und wieder lachten alle auf. Knapp über fünfzehn Jahre war die Resl erst alt und sah in ihrem schmucken Mieder und Silbergeschnür
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