Das Leben meiner Mutter (German Edition)
machst’s Brot«, sagte er beim zweiten Sack zur Resl und lächelte schief, »soso, du … und grad schön sind deine Laib’. Jaja, aber das soll jetzt ganz aus der Mode kommen. Jetzt baut der Stellmacher-Maxl eine neumodische Bäckerei, und er will uns zeigen, wie man richtiges Brot backt, der vorlaute, siebengescheite Notschnapper!« Er lugte auf sie und setzte spöttisch dazu: »Hm, wenn du soviel vom Backen verstehst, kannst ja einmal Bäckerin von Berg werden.«
Die Resl, die den hämischen Müller nicht mochte, nickte nur beiläufig, wischte mit dem groben Schurz über ihr nasses Gesicht und strich sich die Haare zurecht. An allem und jedem hatte dieser Vetter etwas auszusetzen. Nur fest eingesessene Bauern galten bei ihm, arme Leute betrachtete er stets als Gesindel. Selbst dann, wenn so einem armen Menschen ein Unglück zustieß, fand der Müller kein mitleidiges Wort.
»Mit was baut er denn, der Maxl?« fragte die Heimrathin ihren Bruder, der jetzt mit dem Sackschleppen fertig war. »Wo nimmt er denn das Geld her? Beim Stellmacher hat man doch nie was gehabt?«
»Wo er’s Geld her hat, weiß kein Mensch, aber er baut«, erwiderte der Müller. »Der Kastenjakl soll dahinterstecken. Der alte Stellmacher ist ganz kritisch darüber.«
»Der Kastenjakl? Ah! … Der hat sich doch selber übernommen! Er kann doch schon nicht mehr weiterbauen auf der Leoni-Wiese. Heißen tut’s, er ist bankrott«, warf die Heimrathin ein. Das entsprach der Wahrheit. Schon seit einem Monat stockte die Arbeit auf dem Bau vom Kastenjakl.
»Jaja! Und du bist so dumm g’wesen und hast ihm deinen schönen Acker ’geben«, hielt ihr der Müller entgegen und schimpfte weiter: »Mit so einer Bagage sollte man sich nicht einlassen. Ich hab’s immer gesagt.« Dann kam er wieder auf den Stellmacher-Max zu sprechen und erzählte weiter: »Bei mir ist er g’wesen, der windige Lump, und hat sich erkundigt, ob ich ihm Mehl geben will, wenn er mit der Bäckerei anfangt. Haha, direkt lachen hab’ ich müssen und sag’ zu ihm, ich mahl’ bloß für Bauernleut’. Da geht der Kerl ganz frech weg und sagt, ich hätt’ keine Angst haben brauchen, er zahlt bar … Ha, hm, da weiß man doch faktisch nimmer, was man sagen soll!«
Die Resl schaute ihn kurz an. Außer dem Kastenjakl kannte sie keinen von den Stellmachers näher, dem Maxl war sie beim Kirchgang und auf dem Jahrmarkt etliche Male begegnet und hatte gefunden, daß er ein sehr lauter – wie ihr scheinen mochte –, etwas frecher, respektloser Bursch war. Dennoch begriff sie nicht recht, warum ihm der Müller gegen gutes bares Geld kein Mehl geben wollte. Für ihn wie für alle Bauern wog doch jeder Kreuzer schwer. Bei den Heimraths und ganz besonders bei diesem Oheim war Geld etwas ungemein Geschätztes, fast Ehrfurcht Einflößendes, das man nahm und gleich versteckte, das man wohl behütete und nur ungern sehen ließ. Im alleräußersten Fall, nach vielem Zögern und Wägen, wurden vielleicht einige Gulden ausgegeben.
Die Resl aber sagte nur: »Ja, ich geh’ jetzt!« Und sie verließ die Kuchl. Aus der Remise holte sie einen Rechen, schulterte ihn und ging durch die fruchtstrotzenden Baumreihen des schattigen Obstgartens hinunter zum Bachhauser Weizenacker, wo die Aufhauser Getreide aufluden. Eine gestockte Hitze brütete über den Flächen. Es roch nach trokkenem Stroh, und ein leises, träges Summen von Fliegen und Bienen durchzog die reglose Luft.
Nachdenklich schritt die Resl dahin. Offenbar gingen ihr die bösen Worte ihres Vetters durch den Kopf. Vielleicht fiel ihr auch der Kastenjakl ein, der ihr auf dem Jahrmarkt den schönen Rosenkranz, das Lebkuchenherz gekauft und Met bezahlt hatte. Am Ende dachte sie darüber nach, wie das sei, »bankrott« zu sein, von Haus und Hof weg zu müssen und auf einmal keinen Kreuzer Geld mehr zu haben. Sicher sah sie den Kastenjakl vor sich: ein Mensch wie jeder andere – und da kommt er nun daher und bettelt, jeder schaut ihn schief an, weicht ihm aus, keiner mag ihn mehr, und man redet über ihn wie vom größten Lumpen …
Das Gesicht der Resl sah aus, als sei es von flüchtiger Rührung überschattet. Zwischenhinein kam ihr womöglich der aufdringlich freche Stellmacher-Maxl in den Sinn, und ganz nebenher, gleichgültig und verschwommen im Hirn auftauchend und wieder hinschwindend, fiel ihr vielleicht das dumme Gerede des Müllers von der zukünftigen Bäckerin von Berg ein. Wahrscheinlich begriff sie das Wort
Weitere Kostenlose Bücher