Das Leben meiner Mutter (German Edition)
schon aus wie eine Heiratsfähige. Sie lachte arglos, und ihr volles, gesundes braunes Gesicht bekam dabei einen fraulich guten Ausdruck. Die langnasige, ungewiß dreinblickende Genovev stand zögernd seitab und betrachtete ein um das andere Mal ihren neuen, schönen Rosenkranz.
»Resei? Wie ist sie denn heut’ aufgelegt, die Bäuerin?« raunte der Kastenjakl einmal geschwind und blinzelte vielsagend. »Ich will heut zu euch kommen.«
»Jaja«, meinte die Resl ebenso, »heut ist schon zu reden mit ihr.« Niemand hatte es bemerkt und gehört. Die Resl stellte das geleerte Metglas hin, wischte mit der zerarbeiteten Hand über ihren Mund und sagte fidel: »Jetzt langt’s aber! Tropf, elendiger, mir hängst keinen Rausch an!« Schon ein ganz klein wenig glasig waren ihre Augen.
»Aber das will ich doch ganz und gar nicht! Woher denn, Resei!« beteuerte der Kastenjakl bieder und überließ das Mädchen den herandrängenden Burschen. Auch die wollten sich nicht lumpen lassen, doch die Resl schüttelte energisch den Kopf und ging mit ihrer Schwester davon.
Am Nachmittag, nach der Vesper, kam der Kastenjakl nach Aufhausen und war die Freundlichkeit selber. Er erzählte allerhand lustige Neuigkeiten und Witze. Sogar die Heimrathin mußte mitunter karg lachen. Es wurde allmählich Zeit zur Stallarbeit. Die Kuchl wurde leer, nur die Bäuerin stand noch da, und der Kastenjakl ging nicht.
»Jetzt laß’ ein Wort mit dir reden, Bäuerin«, fing er an und kam, wie so oft, wieder auf das Ackertauschen zu reden. Die Heimrathin wehrte diesmal nicht ab, im Gegenteil, sie wurde langsam nachdenklich.
»Jaja«, sagte sie schließlich und ging mit ihm in die gute Stube, »jaja, dein lumpiger Haberacker hat mich schon oft geärgert! Recht dumm zwängt er sich in unsere Gründ’ …«
»Und weiß Gott wie weit weg ist euer Leoniger Acker. So hätt’st alles schön beieinander«, sekundierte der Kastenjakl geschickt. Sie redeten hin und her.
»Da, Bäuerin«, sagte er wiederum und legte hundert Gulden auf den Tisch, »dein Acker ist größer. Ich will nicht, daß du als Wittiberin zu kurz kommst.« Sie wurden handelseins.
Als der Kastenjakl wegging, traf er im Hof den Much-Girgl, der vom Marktbesuch heimkam und ein wenig angeheitert war.
»Hoho!« lachte der Girgl, »was hat denn dich hertrieben!«
»Du nicht! Aber grad nichts Schlechtes!« gab der Kastenjakl zurück und ging rasch davon.
»Ein durchtriebener Tropf, ein durchtriebener! Was er wieder im Sinn gehabt hat, der Planer!« murmelte der Girgl gemütlich und torkelte um die Stallecke. –
Im Frühjahr fingen etliche Arbeiter an, auf dem Leoniger Acker eine abgesteckte Grundfläche auszuheben Der Kastenjakl half oft mit. Nichts ging ihm schnell genug. Von der ersten Frühe bis nach Feierabend war er auf dem Platz und regierte hartnäckig. Wenn die Arbeiter heimgegangen waren, sah man ihn zuweilen mit einem Plan auf dem Grundstück herumgehen. Er sah prüfend auf das Papier und dann musterte er wieder die Gräben. Zuletzt trat er an den Rand des Ackers und sah von dieser steil abfallenden Stelle aus hinunter auf Leoni, auf den ruhigen See, auf die anderen Ufer, die langsam im Dämmer verschwammen. Dann bekam er ein zufriedenes Gesicht.
Um jene Zeit kam auch der Stellmacher-Maxl heim nach Berg. Er hatte seine Sache günstig durchgefochten und sich von den Demobilmachungs-Instanzen nicht mit einer einmaligen Schadensersatz-Summe abfertigen lassen. Er war Inhaber des Eisernen Kreuzes II. Klasse und bezog jetzt eine monatliche Kriegerpension. Halbwegs konnte er seine steife rechte Hand noch bewegen. Aber was sollte er eigentlich daheim in all der drückenden Not anfangen? Fast siebenundzwanzig Jahre war er alt, hager, mittelgroß und zäh, aber unbäuerlich, weil ihn das schwere Leben draußen in der weiten Welt zurechtgeschliffen hatte. Er dachte eigensinnig und selbständig, wurde mitunter hemmungslos jähzornig und ertrug es nicht, daß die Eingesessenen verächtlich auf ihn und alle Grafs herabschauten. Er ging bedrückt herum und war die meiste Zeit unleidlich. Sicherlich überlegte er allerhand. Vielleicht plante er, wieder in die Fremde zu gehen, doch einen Bäckergesellen mit einer steifen Hand – wer sollte den nehmen? Und wie wollte er es hier zu etwas bringen? Wohin er auch schauen mochte, überall regte sich das neu erweckte, ungestüme Leben, nur mit dem Gewerbe seines Vaters, das er kaum kannte, schien es immer mehr abwärts zu gehen. Die Bauern hatten
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