Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Herrschaften viel beredet.
Der Maxl wandte den Blick erst ab, als die Davongegangene durch die Tür verschwunden war. Er nahm einen Schluck Bier, stellte den Krug wieder hin, und es war unschwer zu erraten, was er ungefähr dachte. Bis jetzt hatte er noch nie die Zeit dazu gefunden, sich nach einem passenden Weib umzusehen, noch weniger, sich auf flüchtige, gleichgültige Liebschaften einzulassen. Zuweilen gewann man auch den Eindruck von ihm, als habe er nur wenig Sinn für weibliche Reize, als ziehe ihn kaum etwas an am anderen Geschlecht. Erwog oder besprach er eine Heiratsabsicht, immer gab nur die Nützlichkeit den Ausschlag. Es hörte sich jedenfalls so an, und man mußte es für wahr nehmen. Jedesmal aber, wenn er ein wenig angeheitert von Leoni heimkam und noch eines von seinen Geschwistern antraf, sagte er bewundernd: »Herrgott, meine Liebe, die Strauchin, das ist ein Prachtweib! Eine bildschöne Person und eine Geschäftsfrau erster Klass’! Wie ein achtzehnjähriges Mädl sieht sie aus! Einfach großartig! Und direkt raffiniert versteht sie, was aus sich zu machen!« Und dann meinte er, der Strauch könne sich jeden Tag gratulieren, daß er eine solche Frau habe.
Die letzten Strahlen der untergehenden Herbstsonne fielen durch die hohen Fenster der holzgetäfelten Bierstube. Das herannahende Dampfschiff im See draußen läutete. Die wenigen Gäste im Hotelgarten brachen auf. Der Fischer Gastl ging auf den Steg, trappelnde Schritte wurden vernehmbar, das anlegende Schiff quietschte, und nur wenige Leute stiegen aus. Die Türe ging auf, und der Siegl von der Rottmannshöhe trat in die Stube. Nach einem kurzen Gruß setzte er sich neben den Maxl.
»Wann wird denn die Drahtseilbahn endlich fertig?« erkundigte sich der, denn seit eineinhalb Jahren arbeiteten die Leute daran.
»Nächsten Sommer bestimmt«, erwiderte der Siegl, als die Kellnerin, die vom Garten hereingekommen war, das Bier brachte.
»Und das Schlößl?« fragte der Max weiter. Auch dort werkelten die Maurer noch.
»Wenn’s gut geht, noch in diesem Herbst«, meinte der Siegl wieder so kurz. Offenbar redete er nicht gern über diese Dinge. Er schien überhaupt nicht allzu gut gelaunt.
»Meinetwegen kann das Bauen ewig dauern … Bauplätz’ sind ein gutes Geschäft für mich. Und rühren tut sich auch was«, sagte der Maxl gemütlich. Er lugte von Zeit zu Zeit zur Tür, aber die Strauchin kam nicht mehr. Dagegen ging die Tür vom Hausgang her wieder auf, und die Heimrath-Resl, mit einem vollen Korb Eier auf dem Arm, kam herein. Sie schaute, geschwind grüßend, auf die zwei Männer und sagte zur Kellnerin: »Wo muß ich denn hingehen? Die Eier hab’ ich.«
»Da, geh nur hinaus«, wies sie die Kellnerin in die Küche.
»Ja … Zahlen!« sagte der Maxl und zog seinen Geldbeutel.
»Hoho … Haben Sie’s schon so eilig, Herr Graf!« meinte der Siegl, und der Aufstehende antwortete: »Jaja, bei mir geht erst die Arbeit an, wenn sich andere Leut’ niederlegen.« Das entsprach zwar nur halb den Tatsachen. Seit er einen Gesellen hatte, und insbesondere jetzt, in der stillen Herbstzeit, half er nur noch von Mitternacht ab in der Backstube mit. Er mochte nur den Siegl nicht. Er konnte nicht vergessen, daß dieser witzlose, hartherzige Spekulant dem Kastenjakl das »Schlößl« förmlich abgepreßt hatte. Doch der Siegl war eine einträgliche Kundschaft, und ein Geschäftsmann muß Feindschaften vermeiden.
Es dämmerte schon, und eine kühle Brise wehte vom See her, als der Maxl ins Freie trat. Langsam ging er weiter. Vor dem Schropp-Haus, wo der steile Hügelweg von der Berger Straße abzweigte und zum Schlößl führte, holte ihn die Heimrath-Resl ein. Er drehte sich um und lächelte sie an. »Resl, pressiert’s dir schon so?« fragte er gemütlich.
»Ja, es wird gleich Nacht sein«, meinte sie und wollte weitergehen.
»Ich geh’ mit … Ich möcht’ mir doch einmal das Schlößl anschauen«, warf er scheinbar absichtslos hin und schloß sich ihr an. Sie stiegen den steinigen, schmalen Weg aufwärts und kamen bald über Leoni hinaus. Es war ein schwieriges Gehen. Von Zeit zu Zeit glitten sie mit ihren Nagelschuhen aus auf dem unregelmäßigen Gestein.
»Soso, ihr liefert zum Strauch die Eier, soso«, redete der Maxl, nur um irgend etwas zu sagen. »Weit ist’s von Aufhausen bis Leoni.«
»Jaja, dreiviertel Stunden hin und dreiviertel Stunden her … Herzu geht’s ja abwärts, aber heimzu, das zieht sich hin«, meinte die
Weitere Kostenlose Bücher