Das Leben meiner Mutter (German Edition)
von Aufkirchen mit der frisch gewichsten offenen Chaise am Bäckerhaus vorfuhr. Als das Brautpaar mit der Kathl und der alten Stellmacherin ins Gefährt stieg, wurde es allgemein bewundert. Gleich darauf fuhr der Wiesmaier daher, in dessen Kutsche der Schmalzer-Hans saß. Die beiden waren Trauzeugen. Sie nahmen den Maxl mit. Die Pferde griffen aus, und in scharfem Trab rollten die zwei Wagen aus dem Dorf. Hinterdrein gingen etliche neugierige Dorfleute. Alle sprachen nur davon, wie reich und glanzvoll die Stasl von den Herrschaften beschenkt worden sei. Nicht ohne Neid fügten sie hinzu, da sei ja so eine Heirat das rentabelste Geschäft.
Die Glocken der Pfarrkirche schienen heute feierlicher zu klingen. Die aufgegangene Sonne fiel auf die abgeernteten, taunassen Felder, und späte Vögel sangen in der erfrischenden Luft.
»Großartig! So einen Tag hab’ ich mir immer gewünscht, Franzl!« sagte die Stasl ein um das andere Mal zu dem stumm neben ihr sitzenden Voshank. In der einfachen Messe, während welcher das Paar vom Geistlichen getraut wurde, waren außer den Schulkindern nur wenige Leute. Die nächste Berger Nachbarschaft befand sich darunter, einige Hofbeamte, der Daiser-Hans von Leoni und Strauch und Strauchin hatten dem Brautpaar die Ehre ihrer Anwesenheit erwiesen. Ihr eleganter Zweispänner fuhr auf dem Platz vor der Kirche auf und ab. Ein livrierter Kutscher saß auf dem hohen Bock. Gleich nachdem das eben getraute Hochzeitspaar vom Altar zurückkam, trat die Strauchin aus dem Betstuhl und überreichte der Stasl einen herrlichen Blumenstrauß, das geschah so unvermutet, daß die sonst als ziemlich gefühlsarm bekannte Braut jäh errötete und, wie von einer Rührung überwältigt, sekundenlang starrte. Dann nickte sie stumm dankend. Derartige Überraschungen liebte die Strauchin, denn sie machten vorteilhaft auf sie aufmerksam. Auch zum Mahl beim Klostermaier blieben die Strauchs noch. Dann verabschiedeten sie sich mit vielen Glückwünschen vom Brautpaar und drückten allen Grafs die Hand. Als sie fort waren, ging der Maxl mit dem Klostermaier zum Kastenjakl hinauf, um ihn zu holen, aber er hatte kein Glück damit. Der alte Mann sah die zwei bei ihrem Eintritt giftig an; dann, als sie den Zweck ihres Kommens erklärt hatten, lachte er meckernd auf und rief höhnisch: »Geh nur, Maxl! Sei froh, daß die zwei endlich kopuliert sind! Für dich ist ja das ein Glückstag, Mensch! Hähähä, jetzt bringst du endlich den Gifthafen, die Stasl, an, hähähä! … Geh nur! Ich will keinen sehn! Geh und sauf dir einen Rausch an, das ist der heutige Tag wert!« Der Maxl schaute bedrückt in der grauenhaft unordentlichen Kammer herum, sagte nichts mehr und ging mit dem Wirt. Eine Zeitlang schien es, als habe er jeden Humor verloren. Er trank schnell ein Bier um das andere, erzählte seiner Mutter, der Kathl und der Stasl leise, wie er den Alten angetroffen habe, und man einigte sich dahin, das Mahl und Bier in die Kammer hinaufzuschicken. Allmählich verflüchtigte sich der Eindruck dieses Zwischenfalls, und nach und nach wurde es lustig im weiten Saal der Postwirtschaft. Die Stasl war kaum mehr zu kennen. Sie hatte die beste Laune, lachte sehr viel und wurde überaus ausgelassen, als tief am Nachmittag – wie das dem Brauch entsprach – allerhand zufällige Gäste, die freigehalten werden mußten, zum Tanz kamen. Sie zeigte sich allen gegenüber so freundlich und versöhnlich, daß man glauben mochte, sie habe überhaupt noch nie in ihrem Leben gestritten. Keck verspottete sie ab und zu ihren schwerfälligen Mann, der nur wenig tanzte, wohl manchmal behaglich lachte, aber doch nicht aufzutauen schien. Sie dagegen ließ keinen Tanz aus und übertrumpfte damit die Kathl weit. Mit dem Schmalzer-Hans, dem Maxl, dem Wiesmaier und dem Daiser machte sie die derbsten Späße und stieß immer wieder mit ihnen an. Der Maxl staunte im stillen über sie. Bier und Wein stiegen ihr zwar allmählich zu Kopf, doch sie trank unbedenklich weiter, und der Rausch gewann keine Gewalt über sie. Als der Maxl sie einmal warnen wollte, rief sie abwehrend: »Ah was! Brauchst keine Angst haben, Maxl, mich wirft so schnell nichts um! Heiraten tut man bloß einmal, und was nachher kommt, weiß man nicht! … Aber das sag’ ich dir, wenn wir in Amerika Millionäre werden, kommen wir und kaufen ganz Berg auf! Die Bäckerischen gehn nicht unter! Sie kommen alle obenauf!« Der Maxl schaute sie mit guten Augen an. Der stolze Trotz ihrer
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