Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Resl. Sie blieben ein bißchen verschnaufend stehen, drehten sich um und schauten auf die wellengekräuselte Wasserfläche hinab.
»Resl«, sagte der Maxl ganz gelassen, »ich möcht’ heiraten.«
»So«, meinte sie ebenso, »was hast du denn für eine Hochzeiterin?«
Unvermerkt überflog sie der Maxl von der Seite. Dann, als sie ihn arglos anschaute, lächelte er und erwiderte: »Ja, hm, eigentlich noch gar keine … aber ein Geschäftsmann kann doch nicht ewig ledig bleiben.«
»Hm«, machte die Resl spöttisch, »du bist gut! Willst heiraten und weißt noch nicht einmal wen! So was ist mir neu!« Wieder musterte der Maxl sie geschwind. Barhäuptig war sie. Ihre schwarzbraunen Haare waren glatt zurückgekämmt und bildeten oberhalb des Nackens einen festen, flachen Knoten. Friedlich und unverwundert schauten ihre Augen aus dem gutmütig-derben, sonngebräunten Gesicht. Der anliegende Spenzer ihres graubraunen Werktagsgewandes schmiegte sich an den breitschulterigen, kräftigen, vollen Oberkörper, der lange faltige Rock verlieh ihr eine matronenhafte Plumpheit, und ihre nackten Beine steckten in den harten, verstaubten Schnürschuhen.
»Resl«, sagte der Max jetzt lebhafter und ließ sie nicht aus den Augen, »laß dir was sagen! Meine Bäckerei geht gut. Bei mir hat’s eine nicht schlecht … So ein ordentliches, fleißiges Weibsbild wie du tät’ passen für mich … Dich möcht’ ich heiraten, Resl!« Es klang nicht die geringste Schüchternheit aus den Worten, auch nichts drangvoll Verliebtes. Sie hörten sich nüchtern und wohlüberlegt an. Und sie schreckten die Resl nicht, im Gegenteil, ganz ohne Scheu, mit der ihr eigenen, zweifelnden Ironie sagte sie: »Jetzt da schau her, hm! Deswegen laufst also mit mir mit? … Hm, heiraten! Was du im Sinn hast, geht doch mich nichts an.«
Der Maxl schwieg eine kleine Weile, doch er war nicht verstimmt.
»Aber Resl!« fing er wieder an, »schließlich – bei euch geht’s doch auch bald auseinander, wenn die Genovev und der Peter heiraten. Du wirst doch nicht dein Leben lang als ledige Dirn daheim bleiben wollen!« Das brachte sie zum Nachdenken.
»Mein Gott, was kann denn da ich sagen«, rief sie nach wieder einer Weile und setzte dazu: »Da mußt du schon mit der Mutter reden …«
Sie gingen wieder weiter, aber sie sprachen nicht mehr viel. Droben, vor dem Schlößl, blieb der Maxl stehen und betrachtete den halbfertigen Bau interessiert.
»Er hat doch einen Kopf gehabt, der Kastenjakl«, meinte er, »es steht auf dem schönsten Platz, da gibt’s keinen Zweifel … Der Siegl, der Lump, macht sich reich damit!«
Ohne hinzuhören sagte die Resl: »Ja, ich muß gehn. Grüß Gott, Maxl.« – »Grüß Gott, Resl … verlass’ dich drauf, ich red’ mit der Bäuerin«, rief ihr der Maxl nach und hörte noch, wie sie fast gleichgültig antwortete: »Jaja, meinetwegen, mir ist’s gleich …«
Er blieb nicht mehr stehen und ging mit festeren Schritten auf der Straße weiter, Berg zu. Nichts an seiner ruhigen Miene verriet, ob er sich mit dem Vorhergegangenen beschäftigte. Er kam zu Hause an und war wie immer. Auffällig erschien der alten Stellmacherin und seinen Geschwistern nur, daß er diesmal so zeitig von Leoni heimgekommen war. Er legte sich bald zu Bett.
Die Kathl und die Stasl verbrachten noch eine lange Zeit in ihrer Kammer. Sie probierten das cremefarbene Hochzeitskleid der Stasl und fanden kein Ende. Sie erwogen und berieten jede Kleinigkeit hartnäckig und ausgiebig. Jede hatte ihre eigene Meinung. Zuweilen stritten sie, um sich dann doch wieder zu einigen. Nobel gab es die Stasl. Strahlen wollte sie an dem Tag. Von dem ersparten Trinkgeld, das sie alljährlich von den in die Stadt ziehenden Herrschaften im Herbst bekam, hatte sie den schweren, steifen Atlas und den zarten Tüll für ihr Kleid gekauft, den vornehmen Schleier und die spitzen Stoffhalbschühchen.
»Wenn’s bloß schön Wetter bleibt«, sagte sie zum Schluß freudig erregt, »der Klostermaier hat versprochen, daß er uns dann in der offenen Chaise fährt. Da können sich die lieben Berger die Augen aus dem Kopf schauen.«
»Ich bin froh, wenn ich mit dir keine Arbeit mehr hab’«, sagte die ermüdete Kathl und gähnte.
Drunten in der Backstube arbeitete der Schießl schon, und das Feuer im Backofen prasselte.
Das Wetter blieb beständig. Alles verlief für die Stasl wunschgemäß. Die Nachbarschaft staunte nicht wenig, als in der Frühe der zweite Postkutscher
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