Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
darauf wendete er sich an die zahlreiche Versammlung und sagte: »Wenn Jemand von euch irgend Etwas auf dem Gewissen hat, so mag er sich aussprechen, damit ich Gott um Verzeihung für ihn bitte.« Alsdann trat Einer vor, welcher im Rufe eines frommen Moslemen stand, und bekannte, daß er ein Heuchler, ein Lügner und schwacher Jünger wäre. »Hinaus mit dir!« schrie Omar; »warum machst du kund, wovon Gott gewollt hat, daß es verborgen bliebe?« Aber Mohammed wendete sich tadelnd an Omar und sagte: »O Sohn Khattab’s, es ist besser, in dieser Welt zu erröthen als in der andern zu dulden. Hierauf hob er die Augen zum Himmel auf, betete für den Selbstankläger und rief aus: »O Gott, gieb ihm Aufrichtigkeit und Glauben, und nimm von ihm alle Schwachheit bei Erfüllung deiner Gebote, welche das Gewissen ihm giebt.« Sich wieder an die Versammlung wendend sagte er: »Giebt es Einen unter euch, welchen ich geschlagen habe; hier ist mein Rücken, er mag mich zur Vergeltung schlagen. Giebt es Einen, dessen Charakter ich verleumdet habe; er mag jetzt den Vorwurf auf mich werfen. Giebt es Einen, von welchem ich Etwas mit Unrecht genommen habe, er mag jetzt hervortreten, damit er entschädigt werde.« Darauf erinnerte ein Mann unter der Menge Mohammed an eine Schuld von drei Silberdenaren, und er empfing augenblicklich die Rückzahlung mit Zinsen. »Viel leichter ist es«, sagte der Prophet, »die Strafe in dieser Welt zu ertragen, als die Ewigkeit hindurch.« Nun betete er inbrünstig für die Gläubigen, welche in der Schlacht von Ohod an seiner Seite gefallen waren, und für diejenigen, welche in andern Schlachten für den Glauben geduldet hatten, indem er sich für sie verwendete kraft des Vertrags, welcher zwischen den Lebenden und den Todten besteht. Hierauf richtete er das Wort an die Modhadjeren oder die Verbannten, welche ihn aus Mekka begleitet hatten, und ermahnte dieselben, die Ansaren oder die Bundesgenossen Medina’s in Ehren zu halten. »Die Zahl der Gläubigen wird wachsen, aber die der Bundesbrüder niemals. Sie waren meine Familie; bei ihnen fand ich eine Heimath. Thut Gutes denen, welche ihnen Gutes thun, und brechet die Freundschaft mit denen, welche gegen sie feindselig sind.« Dann gab er zum Abschied drei Gebote, nämlich: 1) Vertreibet alle Götzendiener aus Arabien; 2) gewähret allen Neubekehrten gleiche Vorrechte mit euch; 3) demüthiget euch ohne Unterlaß zum Gebete.
Nachdem Rede und Ermahnung beendigt war, wurde er liebevoll nach Ayefcha’s Wohnung zurückgeleitet; aber er war bei der Ankunft daselbst so erschöpft, daß er in Ohnmacht fiel. Die Krankheit wuchs von Tage zu Tage und augenscheinlich trat zeitweiliges Phantasieren ein. Denn er redete von Besuchen, welche er vom Engel Gabriel erhalten hätte; dieser wäre von Gott gekommen, um nach dem Stande seiner Gesundheit sich zu erkundigen, und er hätte ihm gesagt, daß es bei ihm stünde, den Augenblick des Sterbens zu bestimmen, indem von Allah dem Todesengel geboten wäre, ohne seine Erlaubniß bei ihm nicht einzutreten. In einem der Anfälle rief er nach Schreibgeräthen, damit er einige Verhaltungsregeln für die Gläubigen zurücklassen könnte. Seine Wärter wurden dadurch beunruhigt, indem sie fürchteten, er möchte Etwas thun, was dem Ansehen des Korans schaden könnte. Als er sie berathschlagen hörte, ob sie sein Verlangen erfüllen sollten, befahl er ihnen, die Stube zu verlassen, und nach ihrem Wiedereintritt sagte er nichts mehr über diesen Gegenstand.
Am Freitage, dem Tage der religiösen Versammlung, schickte er sich trotz der Krankheit an, sein Amt in der Moschee zu verwalten, und hatte wiederum Wasser über sich gegossen, um sich zu erfrischen und zu stärken; aber als er sich anstrengte, um fortzugehen, fiel er in Ohnmacht. Wieder zur Besinnung gekommen, bat er Abu Beker, die öffentlichen Gebete zu verrichten, mit der Bemerkung: »Allah hat seinem Diener das Recht gegeben zu bestimmen, welchen er an seiner Stelle gern sieht. Später wurde von einigen behauptet, daß er damit beabsichtigt hätte, diesen vieljährigen bewährten Freund und Anhänger als seinen Nachfolger im Amte zu bezeichnen; aber Abu Beker enthielt sich, diese Worte in zu enger Bedeutung zu nehmen. Bald wurde Mohammed die Nachricht gebracht, daß Abu Beker’s Erscheinung auf der Kanzel große Unruhe verursacht hätte, da ein Gerücht umliefe, daß der Prophet todt wäre. Daher strengte er die ihm gebliebene Kraft an, lehnte sich auf Ali’s und
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