Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Engel, der zur Hälfte aus Schnee, zur Hälfte aus Feuer bestand; doch der Schnee schmolz nicht, auch das Feuer verlöschte nicht. Um ihn herum rief ein Chor niederer Engel beständig: »O Allah! der du Schnee und Feuer vereinigt hast, vereinige alle deine treuen Diener im Gehorsam gegen dein Gesetz.« »Dies«, sagte Gabriel, »ist der Aufsichtsengel von Himmel und Erde. Es ist derjenige, welcher Boten an die einzelnen Glieder deines Volkes abordnet, um sie zur Begünstigung deiner Sendung zu bewegen und sie zum Dienste Gottes zu berufen; er wird damit fortfahren bis zum Tage der Auferstehung.« Hier war der Prophet Musa (Moses), welcher jedoch, anstatt Mohammed mit Freude zu bewillkommnen, wie es die andern Propheten gethan hatten, beim Anblicke desselben Thränen vergoß. »Warum weinest du?« forschte Mohammed. »Weil ich einen Nachfolger erblicke, der bestimmt ist, mehr von seiner Nation in das Paradies einzuführen, als ich jemals von den abtrünnigen Kindern Israels einführen konnte.«
Von hier in den siebenten Himmel aufsteigend, wurde Mohammed von dem Erzvater Abraham empfangen. Diese wonnereiche Behausung ist aus göttlichem Lichte gebildet und hat solch überschwänglichen Glanz, daß eine Menschenzunge ihn nicht beschreiben kann. Einer seiner himmlischen Bewohner wird genügen, einen Begriff von den übrigen zu geben. Er überragte die ganze Erde an Größe und hatte siebenzig tausend Köpfe, jeder Kopf siebenzig tausend Münde, jeder Mund siebenzig tausend Zungen, jede Zunge sprach siebenzig tausend verschiedene Sprachen, und alle diese wurden unaufhörlich angewendet, um den Preis des Allerhöchsten zu singen.
Während Mohammed dieses wundervolle Wesen betrachtete, wurde er plötzlich zu dem Lotusbaume, Sedrat genannt, emporgetragen; derselbe grünet zur Rechten von Allahs unsichtbarem Throne. Die Aeste dieses Baumes erstrecken sich weiter als der Raum zwischen Sonne und Erde. Engel, zahlreicher als der Sand am Meeresufer oder in den Betten aller Ströme und Flüsse, erquicken sich in seinem Schatten. Die Blätter gleichen den Ohren eines Elephanten; Tausende von unsterblichen Vögeln belustigen sich in seinen Zweigen, indem sie die erhabenen Stellen des Korans wiederholen. Seine Früchte sind milder als Milch und süßer als Honig. Wenn alle Geschöpfe Gottes beisammen wären, so würde Eine dieser Früchte zu ihrer Erhaltung hinreichend sein. Jedes Saamenkorn umschließt eine Houri oder himmlische Jungfrau, welche zur Beseligung der wahren Gläubigen bestimmt ist. Aus diesem Baume brechen vier Ströme hervor; zwei fluthen in das Innere des Paradieses, zwei fließen jenseit desselben und werden der Nil und der Euphrat.
Mohammed und sein himmlischer Begleiter schritten nun nach Al Mamur oder dem Hause der Anbetung, welches aus rothen Hyacinthen oder Rubinen gebaut und von unzähligen, immerwährend brennenden Lampen umgeben ist. Als Mohammed das Portal betrat, wurden ihm drei Gefäße dargereicht, das eine mit Wein, das andere mit Milch und das dritte mit Honig. Er nahm das Gefäß, welches Milch enthielt, und trank daraus. »Du hast wohl gethan; Glück verheißend ist deine Wahl,« rief Gabriel aus. Hättest du von dem Weine getrunken, so wäre dein Volk ganz vom rechten Wege abgekommen.« Das heilige Haus gleicht der Form nach der Kaaba in Mekka und steht in gerader Linie über derselben im siebenten Himmel. Es wird jeden Tag von siebenzig tausend Engeln der höchsten Ordnung besucht. Sie hielten gerade zu dieser Zeit ihren heiligen Umgang und Mohammed umwandelte es in Verbindung mit ihnen sieben Mal.
Gabriel konnte nicht weiter gehen. Mohammed durchlief jetzt geschwinder, als er dachte, einen ungeheuern Raum, nämlich zwei Regionen von blendendem Licht und eine von tiefer Finsterniß. Aus dieser äußersten Düsterkeit hervorkommend, wurde er mit Ehrfurcht und Schrecken erfüllt, da er sich Allah gegenüber und nur zwei Bogenschüsse von seinem Throne entfernt befand. Das Antlitz Gottes war mit zwanzig tausend Schleiern bedeckt, denn der Anblick seines Glanzes würde den Menschen vernichten. Er streckte die Hände aus und legte die eine auf die Brust, die andere auf die Schulter Mohammeds, welchen ein eisiger Schauer bis an das Herz und sogar bis in das Mark der Gebeine durchdrang. Er war von einem Gefühl unaussprechlicher Wonne begleitet, während ringsum eine Lieblichkeit und ein Wohlgeruch herrschte, welchen nur diejenigen, welche in der Gegenwart Gottes sich befunden haben, begreifen
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