Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
über die Mauer kletterte.
Er begab sich unmittelbar in Abu Bekers Haus, und daselbst trafen sie Anordnung für die augenblickliche Flucht. Es wurde beschlossen, in eine Höhle des Berges Thor, ungefähr eine Stunde von Mekka entfernt, zu fliehen und daselbst so lange zu warten, bis sie sicher nach Medina reisen könnten; während dieser Zeit sollten Abu Bekers Kinder ihnen Nahrung im Geheimen dahin bringen. Sie verließen Mekka, als es noch finster war, legten den Weg beim Scheine der Sterne zurück und bei der Dämmerung des Tages befanden sie sich am Fuße des Berges Thor. Kaum waren sie in die Höhle hinein, als sie den Lärm der Verfolgung hörten. Abu Beker, obgleich ein tapfrer Mann, zitterte vor Furcht. »Unsre Verfolger«, sagte er, »sind zahlreich und wir sind nur zwei.« »Nein«, entgegnete Mohammed, »es giebt noch einen Dritten; Gott ist mit uns!« Und hier erzählen die moslemischen Schriftsteller ein Wunder, welches den Herzen aller wahren Gläubigen theuer ist. Zu der Zeit, als die Koreischiten, sagen sie, den Eingang der Höhle erreichten, war eine Akazie vor demselben aufgewachsen, in deren ausgebreitete Aeste eine Taube ihr Nest gebaut und Eier hineingelegt hatte, und über dem Ganzen hatte eine Spinne ihr Netz gewoben. Als die Koreischiten diese Zeichen ungestörter Ruhe erblickten, so schlossen sie, daß diese Höhle neulich Niemand betreten haben könnte; daher wendeten sie sich hinweg und verfolgten die Nachforschung in einer andern Richtung.
Ob durch em Wunder beschützt oder nicht, die Flüchtlinge blieben drei Tage unentdeckt in der Höhle, und Asama, die Tochter Abu Bekers, brachte ihnen in der Abenddämmerung Nahrung. Am vierten Tage wagten sich die Flüchtlinge hervor, da sie vermutheten, daß sich die Verfolgungswuth gelegt hätte, und reisten auf Kameelen, die ihnen ein Diener Abu Bekers in der Nacht gebracht hatte, nach Medina ab. Die Hauptstraße, welche gewöhnlich von den Karavanen eingeschlagen wurde, vermeidend, nahmen sie ihren Weg näher an der Küste des rothen Meeres. Sie waren jedoch nicht weit vorgerückt, als sie von einer Reiterschaar, Soraka Ibn Malek an ihrer Spitze, eingeholt wurden. Abu Beker war wegen der Anzahl ihrer Verfolger wiederum in Furcht; aber Mohammed wiederholte die Versicherung: »Sei nicht ängstlich, Allah ist mit uns.« Soraka war ein grimmiger Krieger mit langzottigen grauen Locken und nackten, sehnigen, behaarten Armen. Als er Mohammed einholte, bäumte sein Pferd und er stürzte mit demselben. Sein abergläubisches Gemüth wurde davon wie von einem bösen Vorzeichen betroffen. Mohammed erkannte den Zustand seiner Gefühle und wirkte durch einen beredten Zuruf dergestalt auf ihn ein, daß Soraka ihn ehrfurchsvoll um Verzeihung bat, sich mit seiner Schaar rückwärts wendete und ihn ohne Belästigung seinen Weg gehen ließ.
Die Flüchtlinge setzten die Reise ohne weitere Unterbrechung fort, bis sie in Koba, einem Flecken ungefähr zwei Meilen von Medina entfernt, ankamen. Es war ein beliebter Versammlungsort der Stadtbewohner und ein Platz, an welchen sie die Kranken und Siechen schickten, denn die Luft war rein und gesund. Von da wurde auch die Stadt mit Obst versorgt, denn der Flecken und dessen Umgebung war mit Weinbergen, mit Dattel-und Lotuswäldchen und mit Gärten bedeckt, welche Citronen, Orangen, Granatäpfel, Feigen, Pfirsiche und Aprikosen trugen und von klaren Bächen bewässert wurden.
Bei der Ankunft an diesem fruchtbaren Orte duckte sich Al Kaswa, Mohammeds Kameel, auf die Knie nieder und wollte nicht weiter gehen. Der Prophet erklärte dies für ein günstiges Zeichen und beschloß, in Koba zu bleiben und sich zum Einzug in die Stadt vorzubereiten. Die Stelle, wo das Kameel niederkniete, wird von frommen Moslemen noch gezeigt, indem eine Moschee, Al Takwa, d. i. Tempel der Frömmigkeit, genannt, daselbst erbaut worden ist, um den Vorfall im Andenken zu bewahren. Einige versichern, daß sie sogleich von dem Propheten gegründet worden sei. Auch wird ein tiefer Brunnen in der Nachbarschaft gezeigt, an welchem Mohammed im Schatten der Bäume ausruhte, und in welchen er seinen Siegelring fallen ließ. Man glaubt, daß er sich noch darin befindet; er hat dem Brunnen Heiligkeit verliehen; das Wasser desselben wird durch unterirdische Kanäle nach Medina geleitet. In Koba blieb er vier Tage und wohnte in dem Hause eines Awsiten, Namens Colthum Ibn Hadem. Mittlerweile vereinigte sich in diesem Dorfe mit ihm ein hervorragender Häuptling,
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