Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Posaunenschall wie bei den Juden, oder durch Leuchtfeuer auf hohen Puncten, oder durch Paukenschlag. In dieser Verlegenheit wurde ihm eine Ausrufungsformel von Abdallah, dem Sohne Zeids, an die Hand gegeben, und dieser erklärte, daß sie ihm in einer Vision geoffenbart worden wäre. Sie wurde augenblicklich von Mohammed angenommen und sie wird als der Ursprung der folgenden Ladung genannt, welche durchs Morgenland von den hohen Minarets bis auf den heutigen Tag gehört wird, wenn man die Moslemen zum Orte der Anbetung ruft, nämlich: »Gott ist groß! Gott ist groß! Es ist kein Gott außer Gott. Mohammed ist der Apostel Gottes. Kommt zum Gebete! kommt zum Gebete! Gott ist groß! Gott ist groß! Es ist kein Gott außer Gott.« Dazu wird bei Tagesanbruch die Ermahnung gefügt: »Beten ist besser als Schlafen! Beten ist besser als Schlafen!«
Anfänglich wurde in dieser bescheidenen Moschee Alles mit großer Einfachheit ausgeführt. Des Nachts wurde sie durch Späne von Dattelholz erleuchtet, und es verging einige Zeit, bevor Lampen und Oel eingeführt wurden. Der Prophet stand auf dem Boden und predigte, indem er sich mit dem Rücken an den Stamm eines der Dattelbäume lehnte, welche als Säulen dienten. Später hatte er eine Kanzel oder Tribüne errichtet, welche er vermittelst dreier Stufen bestieg, um über die Versammlung erhöht zu sein. Eine Sage behauptet, daß, als er diese Kanzel zum ersten Male bestieg, der verlassene Dattelbaum einen Seufzer von sich gab, worauf er ihm wie zum Troste die Wahl ließ, entweder in einen Garten verpflanzt zu werden, um wieder zu blühen, oder ins Paradies zu gelangen, um daselbst in dem andern Leben für die Gläubigen Früchte zu tragen. Der Dattelbaum wählte weislich das Letztere und wurde demzufolge unter die Kanzel begraben, um daselbst die wonnereiche Auferstehung zu erwarten.
Mohammed predigte und betete auf der Kanzel bald sitzend, bald stehend und auf einen Stab sich stützend. Seine Verhaltungsregeln waren noch ganz friedlich und liebevoll, indem sie Unterwerfung unter Gott und Leutseligkeit gegen die Menschen einprägten. Eine Zeit lang scheint er der Menschenfreundlichkeit des christlichen Glaubens nachgeeifert zu haben. »Gegen denjenigen, welcher gegen Gottes Geschöpfe und gegen seine eigenen Kinder nicht liebreich ist«, pflegte er zu sagen, »wird Gott auch nicht liebreich sein. Jeder Moslem, welcher den Nackenden seines Glaubens kleidet, wird von Allah in die grünen Paradiesgewänder gekleidet werden.«
In einem der von seinen Schülern überlieferten Vorträge findet sich folgendes Gleichniß über die Nächstenliebe: »Als Gott die Erde schuf, wankte und bebte sie, bis er, um sie zu befestigen, Berge auf sie setzte. Hierauf fragten ihn die Engel: O Gott, giebt es irgend etwas Stärkeres in deiner Schöpfung als diese Berge? Und Gott antwortete; Eisen ist stärker als die Berge, denn es zerbricht sie. Und giebt es irgend etwas Stärkeres in deiner Schöpfung als Eisen? Ja, Feuer ist stärker als Eisen, denn es schmelzt dieselben. Giebt es in deiner Schöpfung irgend etwas Stärkeres als Feuer? Ja, Wasser, denn es löscht dasselbe. O Herr, giebt es in deiner Schöpfung irgend etwas Stärkeres als Wasser? Ja, Wind, denn er überwältigt das Wasser und setzt es in Bewegung. O, unser Erhalter! giebt es in deiner Schöpfung etwas Stärkeres als Wind? Ja, ein gütiger Mann, welcher Almosen austheilt; wenn er mit der Rechten giebt und es vor der Linken verbirgt, so übertrifft er Alles.«
Seine Erklärung der Menschenliebe umfaßt den weiten Kreis des Wohlwollens. »Jede gute Handlung«, pflegte er zu sagen, »ist Menschenliebe. Das Lächeln in deines Bruders Angesicht ist Menschenliebe; die Ermahnung des Nächsten zu tugendhaften Handlungen ist gleich dem Almosengeben; die Führung des Wanderers auf den rechten Weg ist Menschenliebe; die Beseitigung der Steine und Dornen auf der Straße ist Menschenliebe; die Darreichung des Wassers an den Durstigen ist Menschenliebe. Eines Menschen wahre Glückseligkeit in der Zukunft ist das Gute, das er in dieser Welt dem Nächsten erweist. Wenn er stirbt, werden die Leute sagen: Was hat er hinterlassen? Aber die Engel, welche ihn im Grabe prüfen, werden fragen: Welche gute Thaten hast du dir vorangeschickt?«
»O Prophet!« sagte einer von seinen Schülern, »meine Mutter Omm-Sad, ist gestorben; was ist die beste Gabe, welche ich für das Heil ihrer Seele darreichen kann?« »Wasser!« erwiderte Mohammed, indem er sich
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