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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
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Fotografen herum.«
    Ich hatte es nicht gesehen. Ich zwang mich, den Sarg anzusehen, das Gesangbuch aufzuschlagen und sie zu ignorieren, so gut es ging. Ich konnte hinterher wütend sein, nicht jetzt, hinterher.

16
    »Arthurs Vater und ich waren, als der
halbe Erdball zwischen uns lag, nicht weiter
voneinander getrennt als zu der Zeit, da wir
in diesem Haus beisammen wohnten.«
    Little Dorrit , Charles Dickens
    Es ist möglich, zugleich matt und glänzend auszusehen, denn das tat er, und seine Augen waren geschlossen, als ich ins Krankenhaus gerannt kam und ihn in einem Bett auf dem Gang fand, es war nicht einmal abgeschirmt, ich weiß nicht, ob er schlief. Fremd, fremd, ich konnte mich nicht von dem Gedanken freimachen, dass er mir fremd war, als ich sein Gesicht sah, matt und glänzend, die geschlossenen Augen. Gut ein Jahr hatten wir eng zusammengelebt, ein Jahr lang hatten wir ein schönes und gutes Leben zusammen geführt, doch ich hatte ihm nie anvertraut, dass ich jeden Tag an Abby dachte, daran, was ich hätte tun sollen und was ich tun musste, dass ich überlegte, ob ich es bereute, und dass ich es nicht bereute, aber dennoch. Jeden Tag. Nein, ich erzählte ihm, dass ich schrieb, ein wenig darüber, über Bücher, Einkäufe, wen ich in der Stadt getroffen hatte, wir lernten die Nachbarn kennen, redeten über sie. Und jetzt lag er in einem Bett auf einem Krankenhauskorridor, er bemerkte nicht, dass ich da war, seine Schmerzen waren zu heftig, er hörte mich nicht brüllen, dass sie ihn an einen anderen Ort bringen und überhaupt zusehen sollten, einen Arzt zu holen und etwas an seiner Lage zu ändern, und schließlich, dass ich einen Boulevardjournalisten kannte. Das war gelogen, aber es half.
    Der Bettenschieber rollte ihn davon, ohne mich eines Blickes zu würdigen, ich hielt Hallands Hand, die feucht und kalt war, ich wusste nicht, ob ich sie drücken oder ihm die Stirn küssen sollte, mit ihm sprechen konnte ich jedenfalls nicht in Anwesenheit dieses Bettenschiebers. Also drückte ich lediglich.
    Ich erhielt die Nachricht, dass er aufgewacht sei, doch als ich eintraf, lag er nur da, und ich setzte mich aufrecht neben ihn und wartete. Er holte krächzend Luft. Die Sonne schien durch das Fenster, und mir wurde warm, ich war kurz davor, einzunicken. Dann sagte er, ohne den Kopf zu bewegen, ohne die Augen zu öffnen:
    »Der Narkosearzt fragte mich: ›Wo wären Sie jetzt gern? Wo waren Sie glücklich?‹ Ich dachte nicht lange nach, ich antwortete einfach: ›In einem Bus.‹ Dann lachten alle, doch der Narkosearzt sagte: ›Dann werden Sie jetzt auch mit dem Bus fahren!‹«
    Erst sagte ich nichts. Ich dachte, er wäre nicht richtig wach. Wir sind nicht oft gemeinsam Bus gefahren, vielleicht dachte er auch gar nicht an diese Busfahrt.
    »Und, bist du dann tatsächlich Bus gefahren?«, fragte ich zuletzt.
    Er nickte und sah zu mir herüber. »Sofort saß ich dort, auf dem Rücksitz. Du warst auch da. Du hattest deinen Kopf in meinen Schoß gelegt.«
    Oh, ich liebte Halland. Genau da liebte ich ihn. Da wiederholte es sich.

17
    »Ich sehe, Sie führen ein Doppelleben.
Das kostet extra.«
EINE WAHRSAGERIN
    Ich stand auf, um den Sarg aus der Kirche zu geleiten, und senkte den Kopf, um niemanden grüßen zu müssen. Mit gesenktem Kopf war es schwer zu erfassen, was vor sich ging, aber offenbar war Brandt nicht da, war er wütend auf mich, schämte er sich, sodass rund um den Sarg Verwirrung aufkam. Allerdings gab es genügend Träger, derer man sich bedienen konnte, und der Pfarrer trat hinzu und kümmerte sich darum, ich betrachtete regungslos die verschiedenen Füße, hielt mich einfach nur bereit, meine Bankreihe zu verlassen. Ich selbst wollte nicht, es fehlte gerade noch, dass ich den Sarg trug und zusammenbrach, doch das tat ich ja überhaupt nicht, zusammenbrechen, ich war heil, hatte zwar ein wenig Schmerzen in der Hüfte, bestand aber dennoch aus einem Stück. Pernille stützte sich auf mich, und ich ließ sie gewähren. Es klang, als ob jemand fotografierte, doch ich sah nicht auf. Wir sangen Schönster Herr Jesu, ich hatte nichts, was ich ins Grab werfen konnte, und sobald sich die Gelegenheit bot, packte ich sie am Arm und steuerte mit ihr auf die Pforte zum Platz zu, ohne mich umzusehen. Hinter uns war eine Stimme zu hören, möglicherweise Ingers, doch ich blieb nicht stehen. »Hast du alles, was du brauchst?«, fragte ich. »Ja, aua«, sagte sie und trippelte und stolperte. »Ich fahre dich nach

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