Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
Vom Netzwerk:
Halland tot ist, die Leute reden einen solchen Quatsch und verhalten sich so merkwürdig. Gestern habe ich zum Beispiel den Nachbarn geküsst.«
    »Wirklich?« Jetzt wurde er wach.
    »Ja, jetzt verstehe ich es überhaupt nicht mehr, aber gestern Abend schien es mir ganz einleuchtend. Wie geht es deinen Zwillingen?«
    Er sah aus, als wisse er nicht, wovon ich spreche. Eigentlich hatte er gar keine lange Mähne, er war nur schon lange nicht mehr beim Friseur gewesen. Er sah ziemlich unfrisiert aus, und seine Kleidung war zerknittert.
    »Ich vermisse dich«, sagte er.
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er. »Die Zwillinge machen Lärm.«
    »Ja.« Ich konnte sie vor mir sehen, obwohl ich sie noch nie gesehen hatte.

15
    »(Vorm Schlitten sprengt der Rappe
Wie von Gevatter Tod geküsst,)
Und lang und stechend hängt
Ein Eiszapf vom Balkon«
    Die Schlittenfahrt , Emil Aarestrup
    Ich hatte mit dem Pfarrer vereinbart, eine Stunde vorher da zu sein, aber immerzu kam etwas dazwischen, was ich noch erledigen musste. Etwas mit meiner Kleidung, mit einem Teller, der noch gespült werden, einem Fenster, das geöffnet und wieder geschlossen werden musste, und dann hatte sich die Knospe einer kleinen, rosafarbenen Rose geöffnet, eine der wilden, die Halland einmal gepflanzt hatte, die musste er unbedingt haben. »Wahrscheinlich kommen gerade mal die Nachbarn«, hatte ich gesagt, »denn ich werde keine Todesanzeige aufgeben.« Das gefiel dem Pfarrer nicht. »Aber es stand doch in der Zeitung, dass er tot ist, sogar im Fernsehen haben sie es gesagt!« Er war nicht zufrieden. Aber er überredete mich nicht weiter, und er verstand, was ich ihm sagte, dass in der Kirche nicht über Hallands Person, Leben und Wirken gesprochen werden sollte.
    Es nieselte, und ich nahm einen Regenschirm mit, als ich endlich aufbrach. Ich sah zu Boden, hatte den Eindruck, dass man mir von allen Fenstern aus nachsah. Ich musste an der Stelle vorbei, wo Halland umgefallen war, ich hielt nicht an, ging lediglich ein wenig langsamer, ich wollte dort nicht vor Publikum verweilen. Wenn es ein Publikum gab. Auf dem Parkplatz hielten verblüffend viele Wagen, und in der Kirchentür stand eine Person und begrüßte die Trauergäste: Pernille.
    Ein schneller Blick an ihr vorbei offenbarte eine lange Reihe von Kränzen und Blumensträußen auf dem Kirchenboden vor dem Sarg. Die Bankreihen waren zur Hälfte besetzt.
    »Bess!«, sagte sie und breitete ihre Arme aus. »Bess! Wo bleibst du denn!« Ich schüttelte meinen Regenschirm so, dass sie nassgespritzt wurde und einen Schritt zurücktreten musste, bevor ich mich gegen ihren enormen Bauch pressen ließ. Eine tiefe Wut, die ganz unten in den Füßen entstand, durchfuhr mich. »Was bildest du dir eigentlich ein!«, sagte ich, nahm aber erst in diesem Moment wirklich den Sarg wahr, mit dem Gedanken, dass es ja Halland war, der darin lag, und ich ließ sie los und ging hinein. Ich hielt die winzig kleine rosafarbene Rose aus dem Garten in der Hand, sah weder nach rechts noch links, ging einfach nach vorn und legte erst die Rose auf den Sargdeckel, dann meine Hand einen Moment daneben, anschließend zwängte ich mich in die erste Reihe, ohne jemanden anzusehen. Wer waren all diese Menschen? Woher kamen sie? Es dauerte einen Moment, bis ich bemerkte, dass der Pfarrer versuchte, mit mir Kontakt aufzunehmen, er kam zu mir und stellte sich direkt vor mich.
    »Wo kommen all diese Menschen her?«, zischte ich ihm zu.
    »Es sieht so aus, als hätte Hallands Tochter gestern eine Todesanzeige aufgegeben, ja, das hat sie, ich habe sie selbst gesehen. Sie offenbar nicht?«
    Ich las zurzeit überhaupt keine Zeitung. Seine Tochter! Was bildete sie sich ein?
    »Sie ist nicht Hallands Tochter!«, sagte ich, ohne meine Stimme zu dämpfen.
    »Oh, entschuldigen Sie, das muss ich missverstanden haben …« Verwirrt sah er in Richtung Eingang. Seine Brille rutschte ihm die Nase herunter, er schob sie wieder auf ihren Platz.
    Die Glocken läuteten, die Türen wurden geschlossen, die Orgel erklang. Pernille setzte sich neben mich, und ich rückte ein Stück von ihr weg. Sie rückte mit. War sie bescheuert?
    »Und, hast du auch Schnittchen im Gasthof zur Post bestellt?«
    »Schnittchen, was ist das denn?«, fragte sie.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als das Ganze irgendwie durchzustehen. »Hast du gesehen, dass man uns fotografiert hat?«, flüsterte sie. »Wo?« »Draußen, in der Tür – dort standen ein paar

Weitere Kostenlose Bücher