Das Leben nach dem Happy End
Hause!« »Jetzt?«, fragte sie. »Ja.« »Bis ganz nach Hause?« »Ja.«
Ich tat so, als sei sie nicht im Auto, sonst wäre ich niemals bis nach Kopenhagen gekommen. Ich machte das Radio an, stellte das ein, was ich normalerweise als schlimmstmöglichen Kanal bezeichnet hätte, und sang mit, so laut ich konnte, auch bei den Liedern, die ich nicht kannte. Pernille kauerte sich in den Beifahrersitz, meiner Meinung nach fuhr ich einfach traumhaft.
Auf der Autobahn fing ich an zu grölen, sonst hätte ich es nicht überstanden. »Du musst tanken«, sagte sie schließlich. Sie hatte recht. »Hast du einen Führerschein?«, fragte ich. »Ja.« »Dann fährst du nach der Tankstelle.«
Sie konnte gleichzeitig sprechen und Auto fahren, sie beherrschte diesen ganz besonderen Blick in den Außenspiegel, den ich bewunderte. »Ich dachte«, sagte sie und justierte den Rückspiegel, »dass es nach einer Beerdigung Kaffee gäbe.« »Nicht bei dieser«, sagte ich. »Ich war mal bei einer Beerdigung, und beim anschließenden Kaffeetrinken«, sagte sie, »erhoben sich die Leute und erzählten vom Verstorbenen, das war ganz wunderbar.« »Was wolltest du denn über Halland erzählen?«, fragte ich. »Nichts wollte ich«, antwortete sie, »aber seit er tot ist, habe ich viel über eine Sache nachgedacht. Als ich schwanger wurde, war ich ein bisschen unausgeglichen. Ich sagte, dass ich ihn nie wiedersehen wollte. Dass er seine Sachen packen sollte. Er weinte.«
Halland konnte nicht weinen.
Ich hatte es noch nie gesehen, nicht eine Träne in seinem Auge, keinen Schluchzer, vielleicht eine kleine Regung in der Stimme, ein tiefes Durchatmen, dann war es vorbei.
»Ich bin so beschämt darüber, dass ich ihn rauswerfen wollte, denn das wollte ich ja gar nicht, es kam nur, weil ich so verwirrt war, ich wollte meinem Kind ein perfektes Leben ermöglichen.«
»Aber du kannst dir die Miete ohne Hallands Anteil doch gar nicht leisten«, sagte ich, »hattest du das nicht letztens erzählt?«
»Doch. Aber daraus wurde ja auch nichts. Ich stand völlig neben mir, es erledigte sich.«
Halland konnte nicht weinen. Das glaubte ich nicht.
»Hätte dein Leben erst nach Hallands Auszug perfekt werden können?«
»Aber ich sage doch, ich stand neben mir!«, sagte sie.
»Ja, sagtest du doch!«, sagte ich.
Die Wohnung war groß für eine Person, es war kaum verwunderlich, dass sie ein Zimmer vermietet hatte. Sie eilte sofort auf die Toilette, und ich blieb in dem langen Flur stehen und wartete. »Hast du eigentlich den Schlüssel?«, rief sie mir zu. »Ja, zurzeit laufe ich eigentlich immer mit diesem blöden Schlüssel in der Tasche herum«, murmelte ich und zog ihn aus der Hosentasche. »Wo ist es?«, rief ich. »Die erste Tür links, die Tür, die zu ist!« Sie kam heraus und stellte sich hinter mich, als wolle sie mit hineinkommen. Ich wandte mich um. »Ich rufe dich schon, wenn was ist!«, sagte ich.
»Ach so!«, sagte sie und kicherte. »Wenn das so ist – möchtest du was trinken?«
»Hast du Schnaps da?«, fragte ich. »Wir hatten ja keinen Leichentrunk.«
»Schnaps?«
»Oder Whisky oder … einfach nur irgendwas Starkes, ich werde nur ein Glas trinken.«
»Ich sehe mal nach …«, sagte sie und ging in den hinteren Teil der Wohnung. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, ging hinein und schob die Tür hinter mir zu.
An der Wand zwischen den Fenstern hing ein Filmplakat von Le Retour de Martin Guerre. Ich setzte mich aufs Bett und starrte es an. »Weißt du was, ich finde das überhaupt nicht lustig!«, sagte ich zu Gérard Depardieu. Er antwortete nicht.
Zu Hause hatte Halland ein paar alte Kunstdrucke an der Wand hängen, und ein Foto, vielleicht auch zwei. Dieses Plakat war so unglaublich groß, dass es das Zimmer fast zum Kentern brachte. Das Bett war schmal und ästhetisch, ein weißer Überwurf, sorgfältig zusammengelegt, darauf ein großes Kissen. Auf einem Schreibtisch stand sein Laptop, geöffnet, mit schwarzem Bildschirm. Es gab ein Regal mit tiefen Brettern, auf denen die Bücher gestapelt waren, anstatt ordentlich in Reihen zu stehen, außerdem lagen auch Papierstapel dort. Auf dem Boden standen drei geöffnete Umzugskartons. Es sah aus, als ob ein Berg von Papieren willkürlich in sie hineingeworfen worden sei. An einer Kleiderstange mit Bügeln hingen eine Jacke und zwei weiße Hemden.
»Halland?«, fragte ich.
»Ich habe tatsächlich ein bisschen Schnaps!«, sagte Pernille und kam mit einer Flasche und einem
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