Das Leben nach dem Happy End
wo es sein wird. Sicher im neuen Teil. Aber es war hier oben – dort drüben an der Mauer hat er gestanden, derjenige, der schoss. Funder erzählte mir, dass sie die Stelle gefunden haben. Ich wünschte, dass der Schuss ein Versehen war, aber sie sagen, das sei unwahrscheinlich.«
Der Hund wackelte und winselte und ruckte so ungestüm an der Leine, dass er Brandt mitriss.
»Weil er ins Herz getroffen wurde?«
»Nein, aber normalerweise laufen doch wohl keine Jäger auf dem Friedhof herum.«
»Aber!«, sagte Brandt und blieb abrupt stehen. Ich konnte ihn kaum noch sehen, der Mond war verschwunden.
»Was?«, fragte ich.
»Kannst du dich nicht daran erinnern, dass es letztes Jahr Ärger gab … Ich rufe morgen gleich beim Friedhofsausschuss an.«
»Ausschuss?«
»Der Friedhofsausschuss, den Leiter«, sagte er.
»Wer zum Teufel ist das denn?«
Er zuckte zusammen. »Hör auf zu fluchen!«, flüsterte er.
Ich musste lachen. »Weil wir auf einem Friedhof sind?«
»Hör einfach damit auf.«
Dann zeigte sich der Mond erneut.
»Er wird am Freitag beerdigt«, sagte ich. »Ich weiß, dass er gern beerdigt werden wollte. Ansonsten möchte ich am liebsten nichts damit zu tun haben. Mit allem. Es wird keine Todesanzeige geben und kein Trara mit Schnittchen.«
»Was ist mit den ganzen Buchhändlern, dem Verlag, wissen sie überhaupt, dass er tot ist?«
»Die werden doch wohl Zeitung lesen? Ich habe es niemandem erzählt. Sein Handy ist weg, also kann ich auch nicht … ja, ehrlich gesagt habe ich daran überhaupt nicht gedacht. Ich kann mich nicht darum kümmern. Ich weiß so wenig darüber, was er eigentlich machte, ich …«
Er hatte seinen Arm unter meinen gehakt, es fühlte sich richtig an.
»Ich mache das nicht!«
»Was?«
»All das, was man soll, ich mache das nicht!«
14
»Ach, sagen Sie mir doch, warum sind Sie eigentlich
nicht verheiratet, Mr. Burton?« (…) »Können wir uns
darauf einigen«, sagte ich um Fassung ringend, »dass
ich noch nicht die richtige Frau gefunden habe?« »Darauf
können wir uns einigen«, sagte Mrs. Dane Calthrop, »aber
es wäre keine sehr gute Antwort, wo doch so viele
Männer eindeutig die falsche Frau geheiratet haben.«
Die Schattenhand , Agatha Christie
Troels war grauhaarig, langmähnig und rundlich geworden. Ohne stattlich zu sein, soweit ich erkennen konnte. Ich hatte ihn so lange nicht gesehen, dass ich erschrak. Doch Abby ging es gut, und davon abgesehen war mir alles egal. Ich bat ihn ins Haus, wo er nie zuvor gewesen war, kochte Tee, da er noch immer keinen Kaffee mochte, wir setzten uns einander gegenüber.
»Das mit Halland ist ja so schrecklich«, sagte er. »Ich habe viel an dich gedacht.«
»Ja, ja, ja!«, sagte ich aus irgendeinem Grund, wie ein Kind.
»Du hast dich nicht verändert«, sagte er.
Das war auf jeden Fall gelogen. Aber vielleicht bezog er sich auch gar nicht auf mein Aussehen, sondern auf mein: ja, ja, ja! So saßen wir eine Weile und schauten vor uns hin. Das Schweigen wirkte nicht störend. Er holte tief Luft.
»Willst du mit mir ins Bett?«, fragte er.
»Äh-was?«, fragte ich schnell und versuchte, lustig zu klingen, bevor ich begriff, was er eigentlich gesagt hatte. »Nein, natürlich nicht! Was bildest du dir überhaupt ein?«
Es schien ihm noch nicht einmal peinlich zu sein. »Ich habe oft daran gedacht, dich das zu fragen, wenn Halland einmal weg wäre.«
»Wenn er weg wäre?«
»Ja, dass er ausgerechnet erschossen werden würde, konnte ich ja nicht ahnen!«
»Aha, konntest du nicht?«
Mein Blick fiel auf seinen Wangenmuskel, der auf Hochtouren arbeitete, während der Rest seines Gesichts unbeweglich blieb. Als wir jung waren, hatte dieser Muskel mich entzückt, ich hatte über seine Bedeutung fantasiert, von ihm ausgehend seine Persönlichkeit analysiert, er war die Tiefe seines stillen Wassers.
Wie langweilig du doch warst, was habe ich mich gelangweilt, dachte ich, und eine unerwartete Erleichterung breitete sich in meinem Körper aus, als hätte ich es laut gesagt.
»Ich verstehe schon, warum du das sagst, obwohl ich es nicht fassen kann, dass du es wagst. Aber, Troels –«
»Nein, nein«, sagte er. »Vergiss es!« Er steckte seine Zunge in einen seiner Backenzähne. Ganz unberührt war er also doch nicht.
»Ich könnte dir vorwerfen, dass du so etwas vorschlägst, während ich hier sitze und – darf man das Wort Witwe überhaupt verwenden, wenn man nicht verheiratet war? Aber ich begreife noch gar nicht, dass
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