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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
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Zeitungsausschnitten, meinem Dasein.
    Ich sah auf, und der Morgen brach an, ein roter Streifen zeigte sich am Himmel. Ich erhob mich und nahm den Kaffeebecher mit, es war Hallands, bemerkte ich, den hatte ich nie zuvor verwendet.
    »Das Licht hat gesiegt, die Nacht ist um!«, sagte ich laut, räusperte mich und wiederholte es. Diesen Morgengesang sollten wir singen, hatte ich dem Pfarrer gesagt.
    Plusquamperfekt. Ich sah zum Fenster hinaus, murmelte dieses Wort und dachte darüber nach. Ich hatte das kleine Latinum, was war davon noch übrig. Ich besaß ein Buch mit dem Titel Italia terra est ; sumus estis sunt, jetzt hatte ich es, sum es est. Plusquamperfekt, Gerundium, welch schöne Wörter. Warum hatte ich diese Welt überhaupt betreten, jetzt war sie mir ja wieder verschlossen, zu welchem Zweck hatte ich mich hineinbegeben. Im Grunde wusste ich es genau. Einige Jahre lang war sie mir zu Nutzen gewesen, und auch heute noch hin und wieder, und dennoch wurde die Nutzlosigkeit aller Dinge zu meinem neuen Steckenpferd, warum das alles, wenn es sowieso bald vorbei war? Welchen Nutzen hatten arbeiten essen schlafen. Lieben? Sich vermehren. Ja, was nutzte das?
    Ich konnte den äußeren Rand des Badestegs dort unten ausmachen. Vor kurzem hatte ich dort gesessen, jetzt sah ich es vor mir, und plötzlich schauderte mich. Ein leichtes Opfer auf dem Badesteg für denjenigen, der mit einem Gewehr oben in den Gärten lauerte. Wer hatte Halland erschossen? Würde er auch mich erschießen? Warum dachte ich nicht ständig darüber nach, warum hatte ich keine Angst? Doch dann ging es vorüber. Niemand wollte mich erschießen. Und niemand hatte Halland erschießen wollen, auch wenn es geschehen war.
    Hallands Becher war blau. Ich stellte ihn in die Spüle und holte sein Schnapsglas vom Regal. Es war alt, ich hatte es einmal in einer schwedischen Provinzstadt gekauft, es war ein bisschen klein, aber hübsch, fünfundzwanzig Kronen hatte es gekostet, wurde nach oben hin etwas breiter, im Sockel war eine Luftblase eingeschlossen, Halland hatte jeden Morgen einen Schnaps getrunken und sonst fast nie, jetzt füllte ich das Glas bis zum Rand mit Wasser, sah durch es hindurch auf die Küchenlampe, trank es aus. Dann ging ich ins Bett und verschlief den Großteil des Tages. So war es viel beruhigender, auch, bis zum Abend damit zu warten, aus dem Haus zu gehen.
    »Wo ist der Hund?«, fragte ich, in der Dämmerung erkannte ich seine Gestalt in der Allee, »er rennt unten am Wasser entlang, er kommt gleich«, antwortete er, machte kehrt und begleitete mich, wir gingen weder schnell noch langsam, aber im Takt, wir berührten uns nicht, »weißt du was«, sagte ich, »nein«, sagte er, »wo würdest du Hallands Briefe vermuten«, »was meinst du«, »ich weiß nicht, ich hatte nur eine Idee und wollte ihr nachgehen.«
    »Sind Hallands Briefe verschwunden?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich war der Meinung, er hätte eine Menge Papiere und Briefe bei sich herumliegen, aber da ist nichts, als hätte er sein Büro geräumt.«
    »Sollte er etwa gewusst haben, dass er sterben würde?«
    »Nein. Ich rede Unsinn. Man kann nicht wissen, dass man erschossen wird.«
    Stille.
    »Meinst du, du weißt etwas über Halland, was ich nicht weiß?« »Wie soll ich darauf antworten können?« »Nein, aber ist es so?« »Nein? Das glaube ich nicht.«
    Der Fjord war blank. Der Halbmond leuchtete hinter den Baumkronen, doch es zogen dunkle Wolken vorüber. Ich konnte seinen Atem hören, ruhig, ohne ihn anzusehen, konnte ich ihn spüren. »Ich liebe diesen Fjord«, sagte ich und hielt die Luft an, »ja«, sagte er und legte seine Hand auf meinen Nacken. Wir waren beinahe oben an der Friedhofspforte angelangt, jetzt war es dunkel.
    Ich zögerte. Seine Hand lag so gut dort. »Hast du ihn erschossen?«, flüsterte ich. Die Hand blieb liegen. Ich meinte zu hören, wie er meinen Namen flüsterte. Er beugte sich mir entgegen, sein Atem wärmte mein Gesicht, ich konnte ihn schemenhaft erkennen, reckte mich empor und küsste ihn, traf seinen Mund, er zuckte zusammen. Dann war der Hund da und fing an zu bellen.
    »Er muss auf dem Friedhof angeleint werden«, sagte ich.
    »Werden wir hineingehen?« War er heiser?
    Der Hund beschnupperte mich, steckte seine Schnauze tief in meinen Schritt. Kälte. Schweiß. Jetzt beißt er. Nein.
    Die Friedhofspforte quietschte so, wie man es von ihr erwartete. Der Mond kam wieder hervor.
    »Wird Halland hier liegen?«
    »Ich weiß nicht genau,

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