Das Leben und das Schreiben
schnell wie möglich aus meinem Kopf verbannen. Ich war im zweiten Jahr auf dieser Schule, war ein Jahr älter als die meisten meiner Klassenkameraden und gehörte mit 1,85 Meter zu den größeren Jungen. Ich wollte auf keinen Fall in Mr. Higgins’ Büro weinen, während sich die anderen am Fenster vorbei durch den Gang stahlen und neugierige Blicke hereinwarfen. Mr. Higgins saß hinter seinem Schreibtisch, ich auf dem Stuhl des bösen Buben.
Am Ende erklärte sich Miss Margitan mit einer Strafe von zwei Wochen Nachsitzen und einer Entschuldigung von dem bösen Buben einverstanden, der es gewagt hatte, sie schwarz auf weiß Made zu nennen. Das war schlimm, sicher, aber ist das nicht alles auf der Highschool? Solange wir in der Schule hocken wie Geiseln in einem türkischen Bad, erscheint sie uns allen wie die ernsteste Angelegenheit der Welt. Erst beim zweiten oder dritten Klassentreffen beginnen wir zu begreifen, wie absurd alles war.
Ein oder zwei Tage später wurde ich in Mr. Higgins’ Büro gerufen und musste mich vor Miss Margitan stellen, die kerzengerade auf dem Stuhl saß, die arthritischen Hände im Schoß gefaltet und die grauen Augen unnachgiebig auf mein Gesicht geheftet. Ich merkte, dass sie in gewisser Hinsicht anders war als alle Erwachsenen, die ich bisher kennengelernt hatte. Diesen Unterschied konnte ich nicht auf der Stelle in Worte fassen, aber ich spürte, dass ich diese Frau nicht beschwatzen oder umschmeicheln konnte. Später, als ich mit den anderen bösen Buben und Mädchen beim Nachsitzen Papierflugzeuge fliegen ließ (die Strafe war also gar nicht so schlimm), sagte ich mir, dass Miss Margitan schlicht und einfach keine Jungen mochte. Sie war die erste Frau in meinem Leben, die keine Jungen mochte, nicht ein kleines bisschen.
Falls es jemanden interessiert: Meine Entschuldigung kam von Herzen. Was ich schrieb, hatte Miss Margitan wirklich verletzt, das sah ich schon ein. Ich bezweifle, dass Miss Margitan mich hasste, wahrscheinlich war sie dafür zu beschäftigt, aber als sie die Beraterin der Schule für die National Honor Society wurde und mein Name zwei Jahre später auf der Kandidatenliste für die Honor Society auftauchte, legte sie ihr Veto ein. Die Honor Society könne »solche Jungen« nicht gebrauchen, soll sie gesagt haben. Heute bin ich der Meinung, dass sie recht hatte. Ein Junge, der sich einst den Arsch mit giftigem Efeu abwischte, gehört wohl wirklich nicht in diesen Klub kluger Menschen.
Seither habe ich mich nicht mehr sonderlich auf dem Feld der Satire versucht.
20
Kaum eine Woche, nachdem ich dem Nachsitzen entronnen war, wurde ich bei den Durchsagen nach dem Unterricht wieder über Lautsprecher aufgefordert, ins Sekretariat zu kommen. Ich ging mit einem flauen Gefühl und fragte mich, in welche Scheiße ich diesmal getreten war.
Wenigstens wartete nicht Mr. Higgins auf mich; diesmal war es der Vertrauenslehrer, der mich hatte ausrufen lassen. Man habe sich über mich unterhalten, sagte er, und überlegt, wie man meinen »rastlosen Stift« in konstruktivere Kanäle lenken könne. Er hatte sich an John Gould gewandt, den Herausgeber der wöchentlich erscheinenden Zeitung von Lisbon, und herausgefunden, dass Gould eine freie Stelle für einen Sportreporter hatte. Zwar könne die Schule mich nicht dazu zwingen, diesen Job anzunehmen, doch hielte das gesamte Kollegium dies für eine gute Idee. Friss oder stirb, stand in den Augen des Vertrauenslehrers. Vielleicht ja nur Verfolgungswahn meinerseits, aber selbst heute, fast vierzig Jahre später, bin ich davon nicht überzeugt.
Innerlich stöhnte ich auf. Bei Dave’s Rag machte ich nicht mehr mit, und bei The Drum war ich auch fast raus. Nun lag vor mir die Weekly Enterprise aus Lisbon. Ich wurde nicht wie Norman MacLean aus Aus der Mitte entspringt ein Fluss (Originaltitel: A River Runs Through It ) von Wasser heimgesucht, sondern von Zeitungen. Aber was sollte ich machen? Ich prüfte noch einmal den Blick in den Augen des Vertrauenslehrers und antwortete, ich würde mich sehr gern dort vorstellen.
Gould – nicht der bekannte Humorist aus Neuengland und auch nicht der Autor von The Greenleaf Fires, sondern wohl ein Verwandter der beiden – begrüßte mich argwöhnisch, doch nicht ohne Interesse. Wir würden es miteinander probieren, sagte er, wenn mir das recht sei.
In sicherer Entfernung von den Autoritätspersonen der Highschool fasste ich Mut zur Ehrlichkeit. Ich erzählte Mr. Gould, dass ich nicht viel
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