Das leere Land
hilflosen Nachplappern dessen, was ihnen die Drahtzieher vorsagen, Orestes im Falle des Romulus Augustulus, Halliburton im Falle des armseligen Georg zu Washington.
In Wahrheit wollte ich dem Personal meiner Schreibbemühungen so nahe wie möglich kommen und fiel währenddessen in eine wachsende Furchtsamkeit hinein, weil ich bemerkte, dass sich ein Scheitern ankündigte. In wahrster Wahrheit hatte ich eine große, mir Luft und Raum nehmende Angst: Auch dem Mann mit meinem Namen werde ich nicht nahekommen. Und sogar dies war gelogen. Am meisten fürchtete ich, ich könnte diesem Mann, der meinen Namen trägt auf dem Kriegerdenkmal, nahekommen.
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Schwere schmierige Klumpen von Ackererde allüberall, klebten da und da und da an dem Frachtgut auf dem klapprigen Leiterwagen, den die brave Stute des Bauern leichten Fußes hinein ins Dorf zog, gut in Futter stand sie, anders als alles andere rundherum in jenem Mai im Jahr des Herrn 1945, kein Wunder, der Bauer, der tief gebückt auf dem Bock saß und lustlos die Zügel führte, war eben noch der Mächtigste im Dorf gewesen, Ortsgruppenleiter, er und die Seinen hatten nicht hungern müssen, nicht einmal seine Tiere.
Von draußen vom Auweg kommend stakste das Pferd mit hängendem Kopf durch das Dorf, es musste auf nichts achten, es kannte den Weg. Ein paar Männer trotteten hinter dem Wagen, die Spaten geschultert, doch nicht stolzen Hauptes. Die anderen Männer schaufelten draußen, beim Teufelsbaum, das zu, was sie eben aufgeschaufelt hatten. Zwei Uniformierte standen bei ihnen, die hielten ihre Waffen auf die Schaufelnden gerichtet, ein stummer Hass in ihren Augen, wie es sie juckte, den Zeigefinger zu krümmen, am Abzugshahn zu ziehen, die Bestien wegzuwischen vom Antlitz der Erde, die doch eine dem Menschen wohlgefällige und dienende sein sollte. Der Hass der anderen Bewaffneten, jener, die die Schaufelträger hinter dem Leiterwagen bewachten, war ein lauter, voll Geschrei, aber es war kein wortreiches Schreien, nur wenige Worte brüllten sie in der fremden Sprache, vor der das Dorf eine so große Angst hatte.
In eineinhalb Jahren wird man das wo lesen können, was ich gerade schreibe, sagte ich zu meiner Mutter. Oh, so lange, sagte sie, und wollte wissen, ob es eine öffentliche Präsentation geben werde. Keine Ahnung. Möglicherweise. Man würde sich freuen, wenn ich den Ländern Ober- und Niederösterreich bei der Eröffnung der Doppellandesausstellung die Ehre meiner Anwesenheit geben würde, hatte der Sprecher meiner Auftraggeber irgendwann einmal gesagt. Zeit und Ort konnte er nicht nennen, das sei noch verfrüht, er deutete etwas an von einer Doppeleröffnung in St. Pölten und Linz, ihm selber wären Mautern und Lorch sympathischer, doch es seien da gewisse Rücksichten zu nehmen. Er sagte nicht, ob diese vage Einladung bedeutete, dass eines der beiden Länder meine Kosten für Reise und Aufenthalt übernehmen würde.
Sie haben mich sozusagen zur Eröffnung eingeladen, sagte ich, möglich, dass ich dabei ein wenig aus meiner Arbeit vorlesen werde. Ich solle ihr Bescheid geben, sobald ich Genaueres wisse, sagte sie, und dann noch, mit gehobener Stimme, damit ich gleich merkte, dass es sich um eine Art parodistisches Scherzchen handelte: Ziehst eh was Ordentliches an zu diesem Termin.
Mit einem Schlag waren sie wieder da, die ersten Schultage, die Aufnahmeprüfung ans Gymnasium, die erste Fahrt zur Tanzschule, zu einem Vorstellungsgespräch, zu was auch immer. Die stete Ermahnung. Das unbedingte und unaufhebbare Streben nach dem Passenden. Passende Worte, passende Frisur, passende Kleidung. Noch heute leide ich an einer Unterwäschewechselmanie, weil sie bei jedem Aus-dem-Haus-Gehen als Letztes die Frage gestellt hatte, ob ich saubere Unterwäsche trüge. Wie leicht könnte ein Verkehrsunfall geschehen, plus anschließender Einlieferung in ein Krankenhaus. Und wie peinlich wäre da unsaubere Unterwäsche! Bis heute muss ich vor jedem Gang aus der Wohnung, aus dem Hotel, aus dem Kinderzimmer eine frische Unterhose anziehen.
Ein muffeliger uneleganter witzloser Portnoy war ich, ohne dessen ausschweifende Frauengeschichten; ich war der Auserwählte meiner Mutter. Ich sollte unserem Namen jenen Respekt verschaffen, der im Falle der Namensnennung auf dem Kriegerdenkmal nur ein vorgetäuschter ist, eine fragwürdige Respektabilität, nicht geeignet, Ruhm zu verewigen, sondern bestenfalls als Pflichtübung rasches Vergessen zu bewerkstelligen. Mein Name auf dem
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