Das leere Land
Staatsgebilde um ein Imperium. Doch der Schein trügt. Wenn die Basari der Welt pfeifen, dann hat auch der zu springen, den die Medienleute gerne den mächtigsten Mann der Welt nennen. Muss er sein Land so hinkriegen, wie sie es brauchen.
Mani ist aufgestanden und hat alles niedergetreten, wo ich dachte, dass eine Schlange wär. Waren nur dürre Äste am Boden. Dann nahm er mich in den Arm und legte die Decke um uns beide und so hockten wir und warteten auf die Sonne. War ja gleich wärmer dann. Wir bleiben beisammen, ja?, sagte er. Im Morgenlicht holte ich das Stanley heraus und gab es Mani. Wenn du mich liebst, dann machst du es. Er griff sich das Messer und machte es. Ein großes T in den Unterarm, außen, damit es jeder sehen kann. T für Trixi.
Du erzählst mir da ein schönes romantisches Märchen, sagte ich. Das ist doch nicht dein richtiger Name. Den hast du dir ausgedacht, weil ich damals gerade von den Trickstern geredet habe.
Sie ignorierte mich. Dann nahm ich das Stanley, sagte sie, und machte es. M für Mani. Sie rieb an der Außenseite ihres linken Unterarms. In meine Haut. Jetzt ist es fast verschwunden. Siehst du nur noch, wenn du es weißt.
Das neue Imperium ist schlau und verschlagen, sagte ich. Es macht uns alle zu Komplizen, indem es uns zu Profiteuren macht. Es versteht es, potenzielle Kritiker einzubinden und ihnen Brosamen zukommen zu lassen, gerade so viel, dass sie nicht mürrisch werden. Darum sind wir alle zwar nicht mürrisch, oder gar aufsässig, aber auf eine langweilige, lähmende Art unzufrieden.
Das war mein letzter Urlaub, sagte sie.
Am Abend tippte ich den Versuch eines Leserbriefs in den Laptop. Der Schwarzafrikaner mit seinem missglückten Selbstmordversuch in Steyr hat ein entscheidendes Manko, schrieb ich. Er ist weder Sportler noch Künstler. Und er ist nicht reich. Wäre er eine russische Opernsängerin, dann erhielte er die österreichische Staatsbürgerschaft innerhalb eines Tages, wenn seine Manager mit den Fingern schnippten, und er müsste weder Deutsch können noch seinen Lebensmittelpunkt in Österreich haben, ja, nicht einmal seinen Wohnsitz. Wäre er Sportler, bekäme er den österreichischen Pass im Handumdrehen, und er müsste nur halb so viel Steuern zahlen wie die meisten der sogenannten echten Österreicher. Wäre er ein russischer Oligarch, würde man ihm die letzten freien Ufergrundstücke an unseren schönen Alpenseen nachschmeißen. Wäre er eine chinesische Wirtschaftsdelegation, dann würden die schmallippigen Herren alle vor ihm auf dem Bauch liegen, deren Lippen sich im Falle nicht vermögender Ausländer zu noch schmäleren Schlitzen zusammenziehen.
Doch während dieses planlosen Geschreibes dachte ich die ganze Zeit an das Wasserluchsweibchen, stellte sie mir vor als Urlauberin, ihren drahtigen braunen Körper in einem Bikini, wie er eintauchte in das klare Wasser der Buchten unterhalb von Cinque Terre, und wie sie heraussprang und sich schüttelte und dann auf dem Badetuch lag, und das Wasser rann träge und langsam in großen Tropfen von ihrer Haut, die sich erwärmte, bevor sie trocken wurde, sodass die flaumigen Härchen rund um ihren Nabel, die sich aufgestellt hatten wegen der Kälte, wie von Zauberhand auf einmal wieder verschwunden waren. Den Leserbrief sandte ich nicht ab, ich schrieb ihn nicht einmal zu Ende.
56
Ich muss die Nacht und den Morgen beschreiben, an dem die Welt zusammenstürzte. Das Festnetztelefon im Wohnzimmer meiner Mutter klingelte um halb zehn Uhr abends, und das Gebilde, das ich gebaut hatte in Jahrzehnten und das ich nun für die Welt hielt, zerfiel, wie morsches wurmstichiges Treibholz zerfällt, sobald es trocken wird.
Meine Mutter war nicht dagewesen, als ich am frühen Abend zurückkehrte vom Kürnbergerwald. Seltsam, sie geht doch nie aus dem Haus. Ich war den Nachmittag über herumgestreunt in den waldigen Höhen über der Donau und der Nibelungenbundesstraße kurz vor Linz, hatte den römischen Wachturm nicht gleich gefunden, war dann enttäuscht gewesen. Die nicht einmal einen Meter hohen Fundament- und Mauerreste sahen frisch aus, wie gerade eben hochgezogen. Wahrscheinlich eine Rekonstruktion. Auf der Schautafel fand sich kein Hinweis auf die Authentizität des Bauwerks. Rund um das Steingeviert massenhaft Ziegelbrocken, kieselsteingroß. Ich hob einen auf und steckte ihn ein. Wahrscheinlich ist das eh nur Ziegelbruch aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert, ausgestreut von den Betreuern der Ruine, um
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