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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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kein Einziges der mehr als hundertneunzig PS .
    Der Fahrzeugbesitzer und der Gelbe und noch zwei Burschen schoben den Mustang aus der Parklücke, der Zuhälter setzte sich ans Steuer, die anderen drei schoben ihn an vor der Stadtpfarrkirche, hin und her, immer wieder, doch ohne Erfolg, nur ein leises Röcheln gab der V 8 von sich, nicht mehr. Bis der Speedy-Chef in seinem grauen Arbeitsmantel vor der Tür erschien und den Jungen zuwinkte, das Auto in eine Parklücke zu schieben, neben seinem flaschengrünen Mercedes. Ein Mustang hat eine Automatikschaltung, sagte er gelassen, kann man nicht anschleppen oder anschieben. Geht nur mit dem Starterkabel. Und verband die Batterie des verendeten Mustang mit jener seiner deutschen Qualitätslimousine, nur ein Drehen am Anlasser, und schon gurgelten die amerikanischen Pferdestärken in all ihrer Macht und Pracht.
    Der Freund des Gelben schämte sich zu Tode vor seinen Zuhälterkollegen. Er rempelte einen Mittelschüler an, der die Mittagspause genutzt hatte zu einem Speedy-Besuch, und drohte ihm mit unflätigen Worten das Verprügeln an, als dieser nicht sofort zur Seite sprang. Dann schlüpfte er in den Wagen und fuhr weg mit quietschenden Hinterrädern. Ein paar Jahre später hättest du mit einem Mustang nicht mehr angeben können vor den Speedy-Leuten, als das Ding auf einmal nur noch hundertsechs PS hatte. Wahrscheinlich wegen der Ölkrise. Ist doch kein Auto.
    Mishi Bizhi hüpfte von nirgendwo hervor, nicht aus dem Pfarrkircheneingang, nicht von einem Versteck hinter einem der Kastanienbäume oder hinter den Kotflügeln eines geparkten Autos. Ich musterte die Gäste im Kaffeehausgastgarten. Einer davon musste der Kinderschänder sein, der Gin über Muschis kleiner Mädchen schüttete. Der machte, dass die kleinen Mädchen in ihre süße, warme, flaumige Kleinmädchenhaut Ritzen schlitzten, aus denen es kalt und eklig und klebrig tropfte. Keiner von den Männern sah aus wie einer, der Gin aus Kinderspalten schleckt.
    Das Handy klingelte. Trixi. Siehst du ihn?, fragte sie.
    Wie sollte ich? Wo bist du!
    Es ist der, der als Einziger alleine sitzt an seinem Tisch.
    Gut. Ich rufe die Polizei, sagte ich.
    Sie schrie mich an, ob ich verrückt sei. Keine Polizei!
    Sondern?
    Sie sagte, dass sie nur abhauen wolle, aber sie traue sich nicht zum Wagen. Du stehst zu nahe bei seinem Tisch, flüsterte sie, als ob sie Angst hätte, er könnte ihre Stimme hören aus meiner Handyohrmuschel. Das sei lächerlich, sagte ich, sie flüsterte weiter, dass sie jetzt verschwinden werde, ich möge bitte im Auto sitzen bleiben und beobachten, ob er etwa aufstehen und weggehen würde, falls er das tue, solle ich sie sofort anrufen, weil dann habe er sie wahrscheinlich gesehen und würde versuchen, sie zu erwischen.
    Lächerlich!
    Sie legte einfach auf. Da packte mich eine Wut, ich fiel hinein in das Gefühl einer umfassenden Ohnmacht, ich hasste diesen blassen Vergewaltiger vor seinem Cappuccino, der möglicherweise genau an jener Stelle saß, wo seinerzeit mein Ururgroßvater meine Ururgroßmutter mit ihren feurigen Augen und ihrem schwarzen Tüchl angesprochen hatte in ihrer Kutsche, und mit Sicherheit genau an jener Stelle, wo der blutjunge Zuhälter damals seinen Mustang, der ihn so schmählich blamierte vor aller Welt, gehasst hatte mit jeder Faser seines Seins. So erdrückend war diese Ohnmächtigkeit, dass ich die Autotür aufriss und hinüberhetzte zum Gastgarten und mich aufpflanzte vor dem einzelnen Sitzenden und ihn mit ordinären Ausdrücken beschimpfte. Und die Fäuste hob, um ihn zu schlagen.
    Er sah mich mit einem derart unendlichen Erstaunen an, dass mich die Entschlossenheit verließ. Er solle mir seinen Namen nennen, sagte ich, er stand auf, sah mich nur an, sagte kein Wort, er solle mir zur Polizei folgen, war mein nächster Versuch, wieder keine Reaktion. Mein Handy klingelte. Trixi sagte verlegen, dass es möglich sei, dass sie sich geirrt habe, der Mann sei irgendwie zu klein, und wenn er der wäre, für den sie ihn halte, würde er mich jetzt schon verdroschen haben. Und legte auf.
    Noch immer starrte mich der Mann an voll Ungläubigkeit. Erst, als er meine Verlegenheit bemerkte, entspannte er sich, etwas Erleichtertes kam in seinen Blick. Er forderte mich auf, mich zu setzen, bevor ich noch ein Wort der Entschuldigung sagen konnte. Ich ließ mich in einen der Plastikflechtstühle fallen. Trinken Sie einen Kaffee, sagte er. Nur wenn ich Ihre Rechnung bezahlen darf, sagte ich,

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