Das leere Land
intrigantes Spiel trieb, und das italische Rom, dem allmählich dämmerte, dass es dem Ansturm all dieser Goten und Skiren und Heruler nicht würde standhalten können, und das deshalb mit Durchschlängeln durch die Kräfteverhältnisse versuchte, das Endgültige wenn schon nicht abzuwenden, so doch zumindest hinauszuschieben.
Zwei Jahre nach dem Gifttod Attilas hatte sich die Mehrheit der Germanenstämme in der Schlacht an der Nedao im westlichen Ungarn vom Hunnenjoch befreit; nur die Ostgoten hatten sich als Neutrale herausgehalten. Was ihnen den Hass aller Beteiligten eintrug. Vierzehn Jahre später entlud sich dies in einem kurzen heftigen Krieg zwischen den Ostgoten und dem donaugermanischen Bund, der aus Sueben, Sarmaten, Skiren, Gepiden und Rugiern bestand. Ostroms Rolle war dabei eine dunkle, es signalisierte den Donaugermanen Unterstützung, obwohl es formell den Goten nahestand. Was dem Skiren Edeka, dem Vater des Odoaker, den Mut gab, zu einer großen Schlacht gegen die Goten anzutreten am Flüsschen Bolia.
Rot vom Blut der Germanen floss tagelang das Wasser der Bolia, die heute Sárvíz heißt, in der Gegend um Herculia, was beim heutigen Dörfchen Tác liegt, fünfzig Kilometer südlich vom Plattensee. Die Ostgoten besiegten den Donaubund, breit und stark und mächtig saßen sie danach im westlichen Ungarn und im Burgenland und in Teilen Niederösterreichs. Darum hatte Flaccitheus Angst, der Rugier, Beherrscher eines Volkes, das allen Grund hatte, den Hass und die Rachegelüste der Goten zu fürchten. Darum überlegte er, mit seinem ganzen Stamm die Gebiete am nördlichen Donauufer zu verlassen und ins Italische auszuwandern. Als die Ostgoten ihm den Durchmarsch durch ihr besetztes Gebiet nicht gestatteten, war ihm klar, dass die Goten versuchen würden, ihn und die Seinen auszurotten, wenn sich der Rugierstamm ohne gotische Erlaubnis anschicken würde, das nördliche Niederösterreich zu verlassen und gen Süden zu ziehen, unter den Schutz Roms. Darum wandte sich Flaccitheus an den Stellvertreter der Macht Westroms, der ihm nahe war: Severinus. Flaccitheus brauchte nur bei Stein oder Krems die Donau zu überqueren, schon traf er den Heiligen Mann in Mautern.
Das, was Eugipp uns als Wunder andrehen will, war offensichtlich ein Handel zwischen dem Rugierkönig und Rom. Severinus teilte dem Flaccitheus mit, er und sein Volk mögen sich nicht wegbewegen von ihrer Position nördlich der Donau, Rom würde dafür sorgen, dass die Goten ruhig blieben. Umgekehrt verpflichtete sich der ketzerische Arianerfürst, die Romanen nicht anzugreifen. Dann wirst du in deinem Bette friedlich sterben, sicherte Severinus dem Flaccitheus zu; Eugipp nennt es eine Prophezeiung.
Es ist ein langweilig eintöniges Muster. Severinus war im Noricerland die Autorität Roms, der Vertreter der Macht, die zwar am Untergehen war, aber immer noch genug Schlagkraft mobilisieren konnte, dass die Germanen sich fürchteten und auf Verhandlungen setzten. Der Chronist Eugipp preist Wunder um Wunder. Dabei war es nichts als Politik. Ich gab ihnen am Ende doch keine Namen. Namen verändern nichts.
26
Periphere Polyneuropathie, HbA1c-Zielbereiche, Resorptionsverzögerer, Inkretin-Mimetika, Exenatide flirrten in meinem Kopf und machten mich schwindlig. Eine Stunde oder zwei trieb ich mich herum bei verschiedenen Netzdoktoren, nicht auf den ersten Blick erkennbaren Homepages von Pharmafirmen und in Foren von Selbsthilfegruppen. Dann hörte ich auf damit und nahm mir vor, solchen Seiten fernzubleiben. So genau wollte ich es gar nicht wissen. Außerdem misstraue ich Geschriebenem, insbesondere, wenn die Schreibenden Decknamen benutzen.
Von unspezifischen Symptomen las ich, von unkontrollierbarem nächtlichem Wasserlassen, Übelkeit und Muskelkrämpfen, von Messwerten, die Namen trugen wie HbA1c und Nüchternzucker oder Nichtnüchternblutzucker. Ich beobachtete Diskussionen über die Höhe dieser Grenzwerte, die sich in den vergangenen Jahren allem Anschein nach ständig verändert hatten. Die Mehrheit der Diskutanten orientierte sich am aktuell regierenden Imperium, also an den rigiden Vorgaben der großen amerikanischen Versicherungsgesellschaften.
Ich las eindringliche Warnungen vor den schlimmen Nervenschädigungen von peripherer und autonomer Polyneuropathie sowie dem diabetischen Fußsyndrom. Ich las Namen von Medikamenten, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Metformin, Insulin-Sentiziser, Sulfonylharnstoff, Glinide,
Weitere Kostenlose Bücher