Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
Vom Netzwerk:
meiner Auftraggeber rief er mich am Handy an. Ja. Das trifft es, sagte er. Ja, unbedingt. Nur eine Sache ist da, murmelte er mit einem Hauch von Verlegenheit.
    Was?
    Zwentendorf ist schlecht. Ganz schlecht. Von der Struktur der Doppelausstellung, also, von den Abläufen her, wie wir uns die Führung der Besucherströme vorstellen, spielt Zwentendorf keine Rolle. Und genau genommen ist auch Zeiselmauer nicht das, was wir uns als primäre Zielgruppenausrichtung vorstellen.
    Sondern?
    Er machte eine lange Pause. Dann sagte er jovial: Ihr Einstieg ist genial, wenn ich es recht bedenke. Er kicherte aus meiner Handyohrmuschel. Wirklich gut, sagte er, keine Spur von Severin, so hebt das an, und dann kommt aber prallvoll Severin, das nehme ich doch an, oder?, nur Severin, den ganzen Aufsatz lang. Genial.
    Danke, sagte ich.
    Nur Zwentendorf ist schlecht, sagte er. Setzen Sie diesen Anfang auf Mautern, oder Lorch. Das schaffen Sie doch, oder?
    Sicher, sagte ich.
    Und noch etwas, sagte er.
    Ja?
    Ich ist ganz schlecht. Ich sollte nicht vorkommen im Aufsatz.
    Er nannte die Auftragsarbeit ständig den Aufsatz, ich habe mich so daran gewöhnt, dass ich es übernommen habe.
    Glauben Sie, dass Sie auskommen ohne Ich?, fragte er.
    Wer zahlt, schafft an, sagte ich.

25
    Gib ihnen Namen. Auf dass sie Fleisch und Blut werden, und nicht nur Konstrukte, vom Konstrukteur entworfen für Zwecke, die er zu verschleiern trachtet. Eugipp nennt Namen, Mamertinus etwa, den Stadtkommandanten von Favianis, der später in der Geschichte noch einmal auftaucht, diesmal als Bischof. Doch diese Militärmänner und Germanenfürsten und kirchlichen Würdenträger, die Eugipp nennt, das sind die falschen zu Benennenden. Es sind die Macher, die Akteure, die Machthaber. Ich will die benennen, die keinerlei Einfluss hatten auf den Lauf der Dinge, den Namenlosen will ich Namen geben, erfundene Namen, aber sie sollen damit Fleisch werden, all jene, die nur zu dulden hatten, was die beschlossen hatten, die einen Namen haben.
    Ich versuchte es, ich dachte mir lateinische Namen aus, Quercus, Sagus, Catellus, Laelia, Romina, Lycia, und dachte mir Umstände aus, Leben von kleinen Leuten, Alltage in Provinzkastellen, deren Befestigung immer brüchiger wurde und wo die Reste der Männer, die noch Waffen hatten, die Legionäre also, die immer wieder über Monate keinen Sold erhielten, und ihre Hilfskräfte, Fremde, Ausländer, Söldner, die gegen Geld kämpften, sich nur in höchst eingeschränktem Maße bewegen konnten, wie die Briten und die von den Amerikanern zugekauften Abenteurer der privatisierten Armeen in Basra. Ständig eines gewaltsamen Todes gewärtig, wenn sie sich außerhalb der brüchigen Mauern und der Palisadenzäune begaben.
    Ich las Giese, die Passage in seinem Roman, in der Severinus auftritt als gewiefter Militärstratege, der dem Mauterner Kommandanten Mamertinus erklärt, wie er sich mit seinen dreißig Soldaten gegen eine vor den Toren der Stadt lagernde hundertköpfige Räuberbande wehren kann. Benutze die Taktik der Barbaren! Deine Krieger, alles germanische Legionäre, sind diese Kampfesform gewohnt von Kindesbeinen an! Meide die offene Schlacht, lass deine Männer sich anschleichen an die Feinde im Morgengrauen und sie im Schlaf überwältigen! Die kriegsmüden Mauterner winkten ab, da feuerte Severinus sie an. Der Sieg ist unser, denn wir haben Gott auf unserer Seite! Mamertinus hatte damals auf den Zivilisten Severinus gehört und einen grandiosen Erfolg errungen.
    Ich überlegte kurz, diese Geschichte wie Giese als plastische realistische Erzählung mit Personen aus Fleisch und Blut niederzuschreiben, mit wüsten Kämpfereien, tollen Jubelszenen in Mautern beim Einzug der Sieger mit Gefangenen und Beute, Bewunderungs- und Dankbarkeitstaumel für den Heiligen Mann. Aber ein Schreiben, das Erfundenes als Geschehenes ausgibt, war mir zuwider. Ich wollte diesen von Eugipp als Wundertat übermittelten Vorfall am liebsten verschweigen. Weil mir mein Ärger in die Quere kam. Immer kam mir alles in die Quere in diesen Tagen der Aufsatzabfassung, in jenem Land, das den verängstigten kleinen Knaben in mir sich regen ließ, er wollte sich um jeden Preis bemerkbar machen mit einem feinen Flirren, als ob ich eine Erdregion mit einer Art von Magnetismus betreten hätte, die anders war als die gewohnte, und darum hatten alle Zellen meines Körpers zu strampeln und haxeln begonnen, um sich neu auszurichten. Der Alte aus Duluth und Hibbing kam mir in die

Weitere Kostenlose Bücher