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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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die süßer, aber auch seichter als die des Einhorns waren. Er hieb sein Glas auf den Tisch und sagte zu dem lächelnden Bürgermeister: »Es ist ein selteneres Geschöpf, als du zu träumen wagst. Eine Nlythe, eine Rückerinnerung, geradezu ein Matschlicht, ein Marschlicht, mein’ ich. Wenn du die Gabe der Erinnerung besäßest, wenn du Hunger …«
    Seine Stimme ging unter in einem Getümmel von Pferdegetrappel und Kindergeschrei. Ein Dutzend Reiter in herbstbraunen Lumpen galoppierte lachend und johlend auf den Marktplatz, wirbelte die Städter wie einen Blätterhaufen auseinander. Sie formierten sich zu einer Linie, ritten rasselnd um den Platz herum, warfen alles, was ihnen in den Weg kam, über den Haufen und stießen unverständliche Flüche und Drohungen aus, die aber niemand bestimmtem galten. Einer der Reiter richtete sich im Sattel auf, spannte seinen Bogen und schoss den Wetterhahn von der Kirchturmspitze; ein anderer schnappte sich Schmendricks Hut, stülpte ihn über den eigenen Kopf und ritt brüllend weiter. Einige zogen plärrende Kinder zu sich in den Sattel, andere begnügten sich mit Weinschläuchen und Butterbroten. In bärtigen Gesichtern glühten wilde Augen, ihr Lachen klang wie Trommelschlag.
    Der dicke Bürgermeister stand reglos da, bis ihn der Anführer des Haufens erblickte. Dann hob er eine Augenbraue. Der Mann schnalzte mit den Fingern – die Pferde standen still, die zerlumpten Reiter schwiegen, gerade so, wie es die Dorftiere beim Anblick des Einhorns getan hatten. Sie setzten behutsam die Kinder zu Boden und gaben den größten Teil der Weinschläuche zurück.
    »Jack Jingly, darf ich bitten«, sagte der Bürgermeister gemessen.
    Der Reiterhauptmann stieg vom Pferd und kam langsam auf den Tisch zu, an dem die Ratsherren mit ihrem Gast gegessen hatten. Er war ein riesiger Mann, fast sieben Fuß hoch, und bei jedem Schritt klangen und klingelten Ringe, Glöckchen und Armbänder, die an sein geflicktes Wams genäht waren. »N’Abend, Euer Ehren!« lachte er bärbeißig.
    »Wir wollen das Geschäftliche hinter uns bringen«, bedeutete ihm der Bürgermeister. »Ich sehe keinen Grund, warum ihr nicht anständig hereinreiten könnt, wie zivilisierte Leute!«
    »Ah, die Jungs denken sich nichts bei, Euer Ehren«, brummte der Riese gutmütig. »Sind den ganzen Tag im grünen Walde eingesperrt, da brauchen sie schon mal’n bisschen Entspannung, so’ne kleine Katharsis. Woll’n wir?« Seufzend löste er einen mageren Beutel von seinem Gürtel und legte ihn in die offene Hand des Bürgermeisters. »Da! Nich’ sehr viel, aber mehr is’ leider nich’.«
    Der Bürgermeister schüttete die Münzen auf seine Hand, stieß grunzend mit einem seiner fetten Finger nach ihnen. »Mäßig, sehr mäßig«, klagte er, »nicht mal so viel Wie die Einnahmen im letzten Monat, und die waren schon miserabel! Ich will euch was sagen: Ihr seid ein ganz fauler Haufen von Strauchdieben!«
    »Schwere Zeiten«, erwiderte Jack Jingly mürrisch. »Was können wir für, wenn die Reisenden nich’ mehr Gold haben als wir? Aus ’ner Rübe kann man kein Blut pressen.«
    »Ich schon«, grollte der Bürgermeister und drohte dem riesigen Räuber mit der Faust. »Wenn ihr mich übers Ohr haut« ’schrie er, »wenn ihr auf meine Kosten eure Taschen polstert, dann werd’ ich dich auspressen, mein Freund, ich werde dich auspressen, bis du nur noch Pamp und Pelle bist und der Wind dich davonweht! Verschwinde jetzt und richte das dieser Vogelscheuche von Hauptmann aus. Fort mit euch, ihr Strolche!«
    Als Jack Jingly murrend abziehen wollte, räusperte Schmendrick sich und sagte unsicher: »Wenn es dir nichts ausmacht, hätte ich gerne meinen Hut.«
    Der Riese starrte ihn aus blutunterlaufenen Büffelaugen an, ohne etwas zu sagen. »Meinen Hut«, forderte Schmendrick mit festerer Stimme. »Einer von deinen Männern hat meinen Hut genommen; es wäre weise, wenn er ihn zurückgeben würde.«
    »Weise, so?« grunzte Jack Jingly nach einem Weilchen. »Und wer bist du, bitteschön, der du weißt, was Weisheit ist?«
    Der Wein irrlichterte noch in Schmendricks Augen. »Ich bin Schmendrick der Zauberer, und an mir hat man einen schlechten Feind«, verkündete er. »Ich bin älter, als ich aussehe, und weniger friedlich. Meinen Hut!«
    Jack Jingly betrachtete ihn einen weiteren Augenblick, dann ging er zu seinem Pferd, machte einen Schritt darüber hinweg und saß im Sattel. Er ritt heran, bis er nur noch um Bartesbreite von dem

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