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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Florenz, im Schatten von Brunelleschis weltberühmter Kuppel.
    Ascoli! Das ist der Name des Städtchens unweit der Abtei …
    Aufgewühlt blättere ich weiter.
    Al-Iskandra al-Rûmi, Alessandra die Römerin, ist die Gemahlin des Wesirs von Granada, Prinz Yared ben Netanya ben Yoel al-Gharnati.
    Yared!
    O Gott, ich erinnere mich an ihn …
    Entsetzen steigt in mir auf, und plötzlich sehe ich wieder Blut über die Marmorfliesen im Löwenhof der Alhambra rinnen. Ein Mann im saphirblauen Seidengewand liegt in seinem Blut. Ein weißes Turbantuch verdeckt sein Gesicht und seine dunklen Locken … Neben ihm liegt ein kleiner Junge … Elija … unser Sohn … Auch er ist ermordet worden …
    Das Atmen fällt mir schwer, als ich den Dolch in Yareds Brust betrachte. Unwillkürlich fahre ich mir mit dem Handrücken über die Stirn, um das Blut abzuwischen, das mir ins Gesicht spritzte, als die fünf Hashishin auf ihn und Elija einstachen. Der mächtige Wesir von Granada ist tot. Sultan Muhammad, fassungslos über den Tod seines besten Freundes, umarmt mich und murmelt tröstende Worte. Er nennt mich zärtlich Al-Iskandra.
    Nannte Gil mich eben nicht auch so, als er dachte, ich höre es nicht?
    Ich betrachte den funkelnden Saphirring an meinem Finger. Meinen Ehering. Ich ziehe ihn ab und lese die eingravierte Inschrift: »›Leg mich wie ein Siegel an dein Herz! Denn stark wie der Tod ist die Liebe, wie die Feuergluten der Hölle ihre Leidenschaft. Nichts vermag ihr Lodern auszulöschen.‹«
    Der Rubinring, den Gil trägt, gehörte Yared!
    Von wem hat er ihn? Von mir! Nach Yareds Tod habe ich als Zeichen meiner Liebe zu ihm, die bis über den Tod hinausreicht, beide Ringe getragen …
    Gil, du Mistkerl! Du hast mir Yareds Ring vom Finger gezogen!
    Meine Hände zittern, während ich schließlich das letzte Schreiben in die Hand nehme.
    Alessandra Colonna.
    Mein Herz beginnt, schneller zu klopfen.
    Als Contessa des Kirchenstaates ist Alessandra Colonna die Vikarin, also die weltliche Stellvertreterin von Papst Nikolaus. Als päpstlicher Legat verfügt sie über Sondervollmachten, die den Befugnissen eines Kardinals entsprechen.
    »Alessandra Colonna«, sage ich, doch der Name löst keine Erinnerung in mir aus, und er verflüchtigt sich, ohne ein Gefühl zu wecken. »Ich bin Alessandra Colonna.«
    Aber bin ich das wirklich?

Kapitel 29
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Gegen zehn Uhr nachts
    Mein Herz pocht, und mein Atem geht stoßweise, als ich endlich stehen bleibe und horche.
    Ein leises Rauschen. Ich kann ihn hören. Er kommt näher. Schluchzend weiche ich vor ihm zurück.
    Wer ist er? Was will er denn von mir?
    Nur sein Gesicht ist in der tiefen Finsternis um mich herum zu erkennen. Ein Gesicht, das trotzdem nur schemenhaft zu erkennen ist.
    Bin ich wieder tot?
    Ist er hier, um mich zu holen?
    Er kommt immer näher. Voller Entsetzen sehe ich mich nach einem Fluchtweg um. Aber es gibt nur die Finsternis. Und die Todesangst. Ich wirbele herum und fliehe weiter.
    Ein endloser Gang führt aus der Kapelle heraus, an deren Wänden das Blut herabrinnt. Ein Portal. Ein hohes Gewölbe. Vollkommen schwarz. Eine Krypta. Nein, ein Ossarium. Totenköpfe, aufgestapelt in tiefen Wandnischen. Knochen, aufgeschichtet zu gruseligen Ornamenten. Blut, überall rinnt Blut über die Wände, die mit Donnergetöse einstürzen, während ich hindurchhetze. Knochensplitter, Fleisch und Blut regnen auf mich herab, dazu Schnee in dicken Flocken.
    Er ist hier. Ganz nah bei mir.
    Mit einem Aufschrei wende ich mich zu ihm um.
    Das in der Finsternis schwebende Gesicht kommt unaufhaltsam auf mich zu. Ich weiche zurück und pralle mit dem Rücken gegen eine Wand.
    Wir sind wieder in der Kapelle mit den beiden Toten, wo Galcerán sich auf mich stürzte. Es gibt keine Flucht aus diesem finsteren Labyrinth, aus diesem Kerker der Erinnerungen, aus dieser Folterkammer des Geistes, wo mir Wunden zugefügt werden, die nie mehr heilen.
    Ich sehe ihm ins Gesicht. Die Finsternis um ihn herum verwandelt sich. Sie faltet sich wie ein Tuch, das sich auf mich herabsenkt, mich umschlingt, mich fesselt, bis ich mich nicht mehr bewegen kann.
    Wie ein Leichentuch.
    Um mich schlagend kämpfe ich dagegen an. Ich zerre an dem Laken, trete gegen die Bettdecke und werfe mich wie eine Besessene hin und her …
    … bis ich schweißnass aus dem Schlaf hochschrecke. Ich zittere am ganzen Körper.
    Blinzelnd öffne ich die Augen. Es ist dunkel, wie eben im Traum. Das

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