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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Kaminfeuer ist wieder erloschen. Wie die Kerze, die noch brannte, als ich vorhin die Geleitschreiben las. Sie muss bis zum Ende des Dochtes heruntergebrannt sein, nachdem ich eingeschlafen bin. Ich hätte sie niemals gelöscht, denn ich habe entsetzliche Angst vor der Finsternis. Schon seit Jahren schlafe ich nicht mehr im Dunkeln ein …
    Ein Knarren lässt mich zusammenzucken. Dann ein leises Klirren, wie von einem Kettenhemd.
    Ein Schatten lauert am Fußende meines Bettes.
    Ein Gesicht, das im Zwielicht der Schneewolken schimmert. Mit einem Körper, ganz in Schwarz gekleidet. Ein schwarzer Mantel mit hochgezogener Kapuze lässt ihn aussehen wie einen Johanniter.
    Doch in seiner rechten Hand schimmert matt die gebogene rußgeschwärzte Klinge eines türkischen Kilij-Schwertes. In der linken hält er einen langen und spitzen Khanjar-Dolch.
    Ich bin wie zu Eis erstarrt. Die Kälte des Todes kriecht durch meine Glieder.
    Das ist also mein Ende. Sultan Mehmed hat mich gefunden.
    Ich atme tief durch, schließe die Augen und warte auf den Hieb, der mich töten wird.
    Stille.
    Leise rieseln die Schneeflocken gegen das Fenster. Der Wind rauscht in den Zweigen der Bäume. Eine Scheibe klappert. Ein Ast knarrt.
    Aber kein Schnaufen, das den Todesstoß ankündigt, kein Klirren des Kettenhemdes, kein Sirren des Schwertes, nichts.
    Nur die gedämpften Geräusche einer kalten und stürmischen Winternacht.
    Mit einem Ruck setze ich mich auf.
    Ein eisiger Luftzug streicht durch das Zimmer.
    Ich bin allein.

Kapitel 30
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Kurz nach zehn Uhr nachts
    Gehetzt sehe ich mich um: Er ist verschwunden.
    Aber die Tür ist nur angelehnt. Im Gang brennt flackernd ein Licht, deshalb kann ich die Umrisse der Tür erkennen.
    Mit einem Satz springe ich aus dem Bett, husche hinüber, öffne sie einen Spaltbreit und spähe in den von Talglichtern erleuchteten Gang.
    Kein Hashishin des Sultans. Keine Schritte, die sich entfernen. Kein Klirren eines Kettenhemdes. Kein Schnarren, wenn ein Schwert in die Scheide zurückgeschoben wird.
    Dafür aber leise Stimmen, die der eisige Luftzug über die Treppe von unten heraufweht.
    Lionel und Adrian. Es hört sich an, als ob sie sich streiten. Ich kann nicht alles verstehen, nur so viel: Irgendetwas ist bald vorbei.
    Aber was?
    Und wo sind sie eigentlich? Im Scriptorium? Oder in der Bibliothek? Offenbar suchen sie das Mandylion …
    Leise schließe ich die Tür und lehne meine heiße Stirn gegen das Holz. Das ist nur ein Traum, rede ich mir ein. Das Leichentuch, das mich erstickt. Der Janitschar. Die Johanniter. Sind sie Echos aus der Vergangenheit? Ich kann Traum und Wirklichkeit nicht mehr voneinander unterscheiden. Ich habe meine Erinnerungen verloren, und ich leide unter Wahnvorstellungen.
    Ich husche zur Reisetruhe hinüber und wühle darin. Da sind die griechischen und arabischen Folianten, die goldenen Abendmahlskelche, das Reliquiar des Mandylions, die Ikone von Jesus Christus, das Leinensäckchen mit den Saphiren.
    Ich nehme das mit purpurnem Samt bezogene kleine Kästchen heraus und öffne den Deckel. Konstantins Abschiedsbrief ist noch da. Das Fläschchen mit dem vergifteten Haschisch ist jedoch verschwunden.
    Gil war im Zimmer, während ich schlief. Er hat die Phiole genommen. Was hat er damit vor?
    Na, was wohl?
    Wovor muss ich größere Angst haben? Vor dem Kilij-Schwert des Janitscharen von Sultan Mehmed oder vor Gils bedrohlichen Einschüchterungen? Sein Verhalten wird nicht nur immer mysteriöser, sondern auch immer bedrohlicher. Was habe ich ihm damals in Granada angetan, dass er sich auf so niederträchtige Weise an mir rächen will? Dass er mich hasst, obwohl er mich liebt. Dass er mich töten will, obwohl er mich gerettet hat.
    Gil, ich verstehe das alles nicht! Dieses Loch in meiner Erinnerung ist wie eine Wunde, die ausgebrannt werden muss, damit sie heilen kann.
    Ich ziehe mir die klammen Sachen wieder an, hole Galceráns Schwert unter der Matratze hervor und hänge mir den Gürtel um, sodass der Griff über meine Schulter hinausragt und die Klinge leicht zu ziehen ist. Die Schneide ist nicht mehr festgefroren. Mit dem Dolch, den ich unter dem Kopfkissen hervorziehe, mache ich mich schließlich auf den Weg.

Kapitel 31
    Vor demDormitorium
21. Dezember 1453
Viertel nach zehn Uhr nachts
    Das Dröhnen der Schläge, Metall auf Stein, die plötzlich durch die Gewölbe hallen, übertönt das leise Quietschen der Tür zum Dormitorium. Die Johanniter

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