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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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noch nichts.
    Mit hochgezogenen Schultern gehe ich den Gang weiter hinauf und achte darauf, dass der Griff meines Schwertes nicht an den Fledermäusen hängen bleibt.
    Der Gang beschreibt eine leichte Biegung nach rechts, dann geht es weiter geradeaus, bis er an einer Treppe vorbeiführt. Sieben Stufen. Dahinter ein Portal. Ich schiebe es auf und betrete ein gewaltiges Treppenhaus. Mit der Kerze in der erhobenen Hand sehe ich mich um. Ich bin im Châtelet. Die gewundene Treppe führt hinauf zur Kirche und zum Dormitorium.
    Ich gehe zum Portal hinüber und ruckele daran. Es ist fest verschlossen. Offenbar befürchtet Gil, dass bald die päpstlichen Truppen vor den Toren der Abtei aufmarschieren. Ich schnaube und stoße eine weiße Atemwolke aus. Du warst doch auch dort, Gil! Du weißt doch, dass der Papst keine Galeeren geschickt hat, um uns zu retten!
    Wütend wende ich mich um und gehe in den geheimen Gang zurück, der noch hundert Schritte weiter aufwärts führt. Er endet in einem kleinen Raum mit einer Treppe, die zu einer Tür hinaufführt. Sie ist nur angelehnt.
    Durch den Spalt kann ich die verschneiten Ruinen sehen. Ich muss mich irgendwo in der Ruine des eingestürzten Turms befinden. Vor mir liegt die Treppe hinunter zur Einsiedlergrotte. Von dort führen Spuren bis hierher.
    Der Hashishin?, denke ich beunruhigt. Dann habe ich vorhin also doch nicht von ihm geträumt?
    Ich greife über meine Schulter und ziehe mein Schwert.
    Dann stoße ich die Tür auf. Sie kracht gegen eine Mauer. Ohne zu zögern, stürme ich hinaus ins Schneegestöber.

Kapitel 33
    In den Ruinen der Abtei
21. Dezember 1453
Kurz nach halb elf Uhr nachts
    In geduckter Haltung hetze ich in den zertrampelten Spuren hinüber zur Einsiedlergrotte, die unter einer dicken Schneeschicht fast verschwindet.
    An dieser Stelle habe ich ein Kreuz auf die kleine Schatzkarte gemalt. Ich blicke mich um. Da ist der Campanile, darunter die Tür mit der Wendeltreppe hinauf zur Kirche, die im wirbelnden Schnee jedoch nicht zu sehen ist. Da sind die hohen Stützmauern. Ich wende mich um und betrachte die eingestürzten Gebäude. Wozu dienten sie?
    Als Gästesaal und als Pilgerhospiz!, schießt es mir durch den Kopf. Die Besucher der Abtei waren streng getrennt von den Mönchen, die in der Klausur lebten.
    Und wo in diesem Labyrinth aus Schutthalden eingestürzter Mauern und Türme, offener Gewölbe und Treppen, die nirgendwohin führen, ist das Versteck des Mandylions? Ich stecke die Karte ein und mache mich auf die Suche. Ich stochere in finsteren Nischen unterhalb von Treppen, wühle in Geröllhalden, stöbere in Torbögen, in denen im Sommer das Gestrüpp wuchert.
    Nichts.
    Dann stehe ich am Rand des Abgrunds. Einen Schritt weiter, und ich würde in die Tiefe stürzen. Der Boden des Ossariums war von einer Seite zur anderen aufgerissen. Das Gewölbe über mir war zerborsten. Die Außenwand, die über dem Felssturz aufragte, ist zusammengefallen und in die Tiefe gestürzt, vermutlich als während eines Erdbebens ein Teil des Felsuntergrunds abbrach. Die Trümmer liegen irgendwo dort unten zwischen den Bäumen.
    Ich wende mich um. Der dreischiffige kirchenartige Bau war einst das Beinhaus der Mönche. In den tiefen, gewölbten Wandnischen stapelten sich die Knochen und Schädel, die jetzt über den Boden verstreut liegen.
    Auf Zehenspitzen stakse ich in großen Schritten über die mit Schnee bedeckten Gebeine hinweg, um nicht auf die dicht an dicht liegenden Schädel und Knochen zu treten. Doch es ist nahezu unmöglich, die Wandnischen zu erreichen, ohne über die festgefrorenen Gerippe zu stolpern und der Länge nach hinzuschlagen.
    Ein leises Glockenläuten, ganz weit entfernt, kündigt eine Erinnerung an, die ich jetzt nicht durchleiden will. In die wogende Masse der Gebeine scheint plötzlich Bewegung zu kommen. Hostienbleiche Totenköpfe wenden sich mir zu, um mich anzusehen. Knochenhände strecken sich mir entgegen, um mich festzuhalten. Du warst doch auch dort, Sandra!, höre ich sie flüstern. Wieso sind wir tot, und du lebst noch?
    Auf einmal leuchtet mir zwischen den bleichen Schädeln ein im Todeskampf verzerrtes Gesicht entgegen, die blutigen Lippen aufgerissen, die Zähne gefletscht wie bei einem Tier. Durch den Schnee schimmern Hautfetzen und dunkle Haarsträhnen. Entsetzt weiche ich zurück. Es ist Konstantin.
    Ich erinnere mich, dass die Türken seinen abgeschlagenen Kopf achtlos auf einen Haufen anderer Köpfe geworfen haben. Sie haben ihn

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