Das letzte Experiment
Leben zu bleiben.»
Auch das klang nett gemeint. Die Narben, das Ritterkreuz, der ihm vorauseilende Ruf – all das ergab plötzlich eine Menge Sinn. Der Mann, der Otto Skorzeny aus dem Verkehr ziehen wollte, musstefrüh aufstehen. Er war ein Mörder. Vielleicht kein Mörder, dem das Töten um des Tötens willen Freude machte, aber ganz sicher auch keiner, der wegen eines Mordes schlecht schlief.
«Also schön, Otto. Ich helfen Ihnen, wenn ich kann. Ich hab im Moment sowieso nicht allzu viel zu tun, also schießen Sie los. Stellen Sie sich vor, ich wäre ihr Priester oder ihr Doktor. Erzählen Sie mir etwas Vertrauliches.»
«Ich bin auf der Suche nach Geld.»
Ich unterdrückte ein Gähnen. «Wie klein die Welt doch ist.»
«Nicht diese Art von Geld!», schnarrte er.
«Gibt es denn eine andere Art, von der ich noch nichts weiß?»
«Allerdings. Die Art, die man nicht zählen kann, weil es so verdammt viel ist. Ich rede von mächtig viel Geld.»
«Ach, die Art von Geld.»
«Ungefähr zweihundert Millionen amerikanische Dollar.»
«Hm. Ich kann Sie verstehen, Otto.»
«Vielleicht ist es auch doppelt so viel. Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit.»
Diesmal hielt ich den Mund. Vierhundert Millionen Dollar ist die Menge Geld, angesichts deren man respektvoll schweigen sollte. «Während des Krieges kamen zwei, vielleicht auch drei deutsche U-Boote mit Gold, Diamanten und ausländischer Währung nach Argentinien. Jüdisches Geld hauptsächlich. Aus den Lagern. Bei der Ankunft wurde der Schatz fünf deutschen Bankiers übergeben. Deutschargentiniern, die damit auf dieser Seite des Atlantik helfen sollten, die Kriegsanstrengungen zu finanzieren.» Skorzeny zuckte die Schultern. «Ich muss Ihnen ja nicht erzählen, wie erfolgreich sie damit waren. Der größte Teil des Geldes wurde nie ausgegeben. Sicher versteckt in Tresoren in der Banco Germanico und der Banco Tourquist.»
«Das wäre ein hübsches Erbe für jemanden», sagte ich.
«Jetzt begreifen Sie allmählich», sagte Skorzeny. «Nach dem Krieg hatten die Peróns die gleiche Idee. Der schmierige Generalund seine blonde Hure setzten die fünf Bankiers unter Druck und deuteten an, dass diese ihre Wahlkampagne großzügig unterstützen sollten. Quasi als Gegenleistung für die berühmte argentinische Gastfreundschaft, die unseren alten Kameraden überall im Land zuteil wurde. Also machten die Bankiers Geld locker in der Hoffnung, dass die Sache damit erledigt wäre. Natürlich war das nicht der Fall. Diktator zu sein ist eine kostspielige Angelegenheit. Insbesondere, wenn man nicht über die gleiche jüdische Kreditlinie verfügt, die Hitler genoss. Also baten die Peróns, gesegnet seien ihre schwarzen Hemden, um eine weitere Zuwendung. Diesmal lehnten die Bankiers ab. Wie Bankiers das nun mal gern tun. Großer Fehler. Der Präsident begann Druck auszuüben. Einer der Bankiers, der älteste, Ludwig Freude, wurde wegen Spionage und Betrug angeklagt. Freude ließ sich auf einen Handel mit Perón ein, und als Gegenleistung dafür, dass er Perón die Kontrolle über einen großen Batzen Geld überließ, wurde sein Sohn Rodolfo Freude zum Chef der Sicherheitspolizei ernannt.»
«Das ist ein netter Handel», sagte ich.
«Nicht wahr?», pflichtete Skorzeny mir bei. «Heinrich Dorge, der ehemalige Assistent von Hjalmar Schacht, war weniger kooperativ. Er hatte außerdem keinen Sohn – Pech für ihn. Die Peróns ließen ihn ermorden. Um die drei anderen Bankiers – von Leute, von Bader und Staudt – von einer Kooperation zu überzeugen. Und sie waren überzeugt. Sie übergaben den Peróns den größten Teil des Schatzes. Fast den gesamten Schatz. Seit diesem Zeitpunkt stehen sie praktisch unter Hausarrest.»
«Warum denn das? Wenn die Peróns die Beute haben, welchen Sinn hat der Hausarrest dann noch?»
«Weil noch viel mehr dahintersteckt als das Geld, das an Bord der U-Boote ins Land gekommen ist. Eine ganze Menge mehr Geld. Sehen Sie, die Peróns haben diese Stiftung ins Leben gerufen. Während der letzten fünf Jahre hat Evita mehr oder weniger jedem argentinischen Bastard, der eine überzeugende Geschichte erzählenkonnte, Reichsbank-Geld in die Hand gedrückt. Die Peróns haben sich die Loyalität ihres Volks erkauft. Das Dumme daran ist, bei der Geschwindigkeit, mit der sie das Geld von den U-Booten ausgeben, geht es bald zur Neige. Um noch für weitere zehn, vielleicht zwanzig Jahre an der Macht zu bleiben, hätten sie liebend gern die richtige Beute
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