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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Ihres Lebens Thyroxin einnehmen müssen. Lediglich ein wenig Calcium, bis wir mit ihrem Blutbild zufrieden sind. Schon in ein paar Tagen sind Sie wieder hier raus und zurück auf der Arbeit.»
    Irgendetwas war an meinem Hals. Ich versuchte es zu berühren, herauszufinden, was es war, doch der Arzt hielt sanft meine Hand fest.
    «Das sind kleine Klemmen, die die Haut über der Wunde zusammenhalten», erklärte er. «Wir nähen Sie erst wieder zusammen, wenn wir vollkommen sicher sind, dass alles in Ordnung ist.»
    «Und wenn nicht?», krächzte ich.
    «In neunundneunzig von hundert Fällen ist alles in Ordnung. Wenn sich der Krebs noch nicht von der einen Hälfte Ihrer Schilddrüseauf die andere ausgebreitet hat, kann er dies jetzt wohl auch nicht mehr tun. Nein, der Grund, aus dem wir Sie noch nicht wieder zusammennähen, ist Ihre Luftröhre, die wir noch ein wenig beobachten wollen. Manchmal kommt es nach der Entfernung einer Schilddrüse oder eines Teils davon zu einer Asphyxie.» Er schwang ein chirurgisches Instrument. «Falls das geschieht, öffnen wir die Klemmen an Ihrem Hals mit diesem Ding hier und sehen nach. Aber ich kann Ihnen versichern, Sir, die Chance ist sehr gering, dass so etwas geschieht.»
    Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht unhöflich sein, doch ich hatte noch zu viel Betäubungsmittel in mir, um auf meine Manieren zu achten. Und ich versuchte immer noch verdammt angestrengt, mich an meinen richtigen Namen zu erinnern. Ich wusste nur, dass ich nicht Hausner hieß, so viel stand fest.
    «Ich hoffe nur, Sie haben den richtigen Patienten operiert, Doktor», hörte ich mich flüstern. «Ich bin nämlich jemand anderes, wissen Sie? Jemand, der ich schon einmal war, vor langer Zeit.»
     
    Als ich das nächste Mal erwachte, war sie da. Sie strich mir das Haar aus der Stirn. Ich hatte ihren Namen vergessen – allerdings hatte ich nicht vergessen, wie schön sie war. Sie trug ein hautenges, zigarrenbraunes Kleid mit kurzen, enganliegenden Ärmeln. Sie sah aus, als wäre sie auf dem Oberschenkel einer Kubanerin darin eingerollt worden. Hätte ich genügend Kraft besessen, ich hätte sie in den Mund genommen und an ihren Zehen gesaugt.
    «Hier», sagte sie und hängte mir ein kleines Amulett um. «Es ist ein Chaim. Ein Talisman. Es soll Ihnen helfen, wieder gesund zu werden.»
    «Danke, Engel. Wie haben Sie herausgefunden, dass ich in diesem Krankenhaus liege?»
    «Ich habe mich in Ihrem Hotel erkundigt.» Sie blickte sich in meinem Krankenzimmer um. «Es ist ein hübsches Zimmer. Es geht Ihnen also nicht schlecht, wie ich sehe.»
    Ich lag in einem Privatzimmer im British Hospital, weil es im American Hospital keine Privatzimmer gab und weil Colonel Montalban nicht wollte, dass Dr.   George Pack vom Memorial Sloan-Kettering Hospital in New York auch nur in der Nähe des Juan-Perón-Krankenhauses gesehen wurde und erst recht nicht in der Nähe des Evita-Perón-Krankenhauses. Doch das konnte ich Anna natürlich nicht verraten. Es war ein sehr britisches Zimmer. An der Wand hing ein hübsches Bild des Königs.
    «Aber warum hier und nicht im Deutschen Krankenhaus?», fragte Anna. «Liegt es vielleicht daran, dass Sie Angst haben, jemand könnte Sie erkennen?»
    «Es liegt daran, dass mein Arzt Amerikaner ist und kein Deutsch spricht», sagte ich. «Und weil sein Castellano auch nicht viel besser ist.»
    «Wie dem auch sei – ich bin böse auf Sie. Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie krank sind.»
    «Bin ich auch nicht, Engel. Nicht mehr. Sobald ich hier wieder raus bin, beweise ich es Ihnen.»
    «Trotzdem. Sie hätten mir sagen müssen, dass Sie Krebs haben», sagte sie. «Ich dachte, wir wären Freunde. Dafür sind Freunde schließlich da.»
    «Vielleicht dachte ich, Sie könnten es für ansteckend halten?»
    «Ich bin keine Idiotin, Gunther. Ich weiß, dass Krebs nicht ansteckend ist.»
    «Vielleicht wollte ich das Risiko nicht eingehen?»
    Ich konnte sehen, dass der König meiner Meinung war. Er trug eine Marineuniform und genügend goldene Tressen, um ein Schiff voller ehrgeiziger Offiziere zufriedenzustellen. In seinen Augen stand Schmerz, und seine dünnen Hände wirkten verkrampft, doch er schien ein Mann zu sein, der sein Los schweigend erträgt. Ich sah, dass wir eine Menge gemeinsam hatten.
    «Wo wir von Risiko sprechen, Engel – es ist mir ernst mit dem, was ich gesagt habe. Sie werden mit niemandem über das reden, waspassiert ist. Oder Fragen stellen bezüglich dem, was wir über

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