ich bin eine alte Freundin von Professor Bergman. Dem Preisträger«, fügte sie gewichtig hinzu. »Eine sehr gute Freundin«, sagte sie dann und zwinkerte ihm vielsagend zu.
Henning errötete tief, was seine Pickel erst recht leuchten ließ. Der Gedanke an Sex unter Greisen war ihm sichtlich unangenehm. »Ja dann …«, sagte Henning gedehnt, und Anna schritt hoch erhobenen Kopfes ihrem Schicksal entgegen.
Sonntag, 21. Dezember 2008
Theo hatte Fatih, der noch immer den Schlüssel besaß, überredet, sich mit ihm in Annas Wohnung umzuschauen. Die Räume wirkten schon jetzt verlassen. Theo hatte oft gemerkt, dass sich die Atmosphäre einer Wohnung schnell veränderte, wenn der Besitzer gestorben war. Schon hatte sich ein erster Hauch von Staub auf die schlichten Möbel gelegt. Unwillkürlich dämpften sie die Stimmen. Fatih hatte auf Theos zögerlichen Bericht über die punktgroße Wunde hinter Annas Ohr verwirrt reagiert.
»Und was bedeutet das?«
»Es bedeutet, dass ihr wohl jemand etwas gespritzt hat.«
»Wozu?«
»Gute Frage. Mir fällt darauf nur eine Antwort ein. Und die ist nicht besonders schön.«
Zielstrebig steuerte Fatih auf Annas kleinen Kirschbaumschreibtisch zu, auf dem ein hochmoderner Laptop thronte. Er bückte sich, um den Schalter an der Verteilersteckdose umzulegen, und startete dann den Rechner.
»Log-in per Fingerprofil«, sagte er stolz.
»Mist. Und jetzt?«
»Kein Problem.« Fatih ließ seinen Zeigefinger über das Identifikationsfeld gleiten.
»Meines ist auch gespeichert. Schließlich bin ich so was wie Annas persönlicher Computerbeauftragter.«
Eine unsichtbare Hand streute in rasantem Tempo die bunten Icons der Programme auf den Bildschirm. Theo war beeindruckt. Sein eigener Rechner brauchte Minuten, um zu starten.
»Anna hat ziemlich viel Zeit im Internet verbracht. Vielleicht können wir rauskriegen, was sie in den letzten Tagen so getrieben hat.« Theo schnappte sich einen Küchenstuhl und zog ihn zum Computer.
Als Erstes öffnete Fatih das E-Mail-Programm. Sogleich kamen dreizehn Mails hereingeflattert. Das Mitglied eines nichtexistenten afrikanischen Königshauses versprach in kryptischem Englisch eine Belohnung von 2,5 Millionen Dollar, sollte man ihm aus der Patsche helfen. Ein wissenschaftlicher Newsdienst informierte über Neuigkeiten aus der Forschung, darunter die bahnbrechende Erkenntnis, dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Schlafqualität und Konzentrationsfähigkeit bestand. Dazwischen gab es noch eine E-Mail von
[email protected]. »Liebe Uromi«, hatte die Kleine am Tag nach Annas Tod mühsam mit dem Zeigefinger getippt. »Ich freue mich schon ganz toll, wenn wir dich Weihnachten besuchen kommen. Gestern habe ich Plätzchen gebacken. Fast ganz alleine. Sie sind ein bisschen zerlaufen, aber sie schmecken sehr gut. Ich habe ganz viel Zuckerguss darauf getan. Ich schicke dir gleich morgen eine Tüte. Viele Küsse aus Hannover. Dein Entchen.«
Im Ordner »gesendete Objekte« fand Fatih ein Schreiben von Anna an eine gewisse Hanna Winter. »Sehr geehrte Frau Winter«, hatte sie geschrieben, »ich bin hocherfreut, dass Sie die Geschichte einer alten Frau so ernst nehmen. Geben Sie mir ein paar Tage, bis dahin hoffe ich, Ihnen handfeste Beweise liefern zu können.«
»Was kann sie damit gemeint haben?« Theo starrte auf den Bildschirm wie in eine Kristallkugel.
»Keinen Schimmer.« Fatih googelte Hanna Winter und landete über 5000 Treffer – von Damenbekleidung bis Yoga. »Hoffnungslos. Und die E-Mail-Adresse gibt auch nicht viel her.«
»Vielleicht schreiben wir die Dame einfach an und fragen.« Theo notierte sich den Absender.
»Schauen wir doch mal, wo Anna in der letzten Woche so herumgesurft ist.« Ein paar Mausklicks später erschien die Liste der zuletzt aufgerufenen Websites am linken Rand des Bildschirms. Spiegel-Online. Wetterbericht. Und die Website mit dem Programm eines Hirnforscherkongresses.
»War Anna etwa Hirnforscherin?«, fragte Theo beeindruckt.
»Nicht dass ich wüsste. Allgemeinmedizinerin, glaube ich.«
Das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss drehte, ließ die beiden herumfahren.
»Erwischt.« Lars stand in der Tür, einen Schwung Faltkartons im Arm. »Das nennt man dann wohl unbefugtes Eindringen.« Paul kam quer durch den Raum geschnauft und begrüßte die überrumpelten Verschwörer mit freundlichem Grunzen. Theo erklärte die Lage. »Wenn wir nichts unternehmen, war’s das mit Annas Tod.«
»Mensch