Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
Vom Netzwerk:
Die Frau neben ihm, in der Theo nur noch vage die Züge von Eriks Frau Renate erkannte, trug ein wadenlanges gebatiktes Kleid in Violetttönen. Ihren Kopf schmückte anstelle eines Schleiers ein bunter Blumenkranz, dessen Blüten schon etwas schlapp herabhingen.
    Das rund ein Vierteljahrhundert später aufgenommene Foto ihrer Tochter Johanna wirkte im Vergleich geradezu altbacken. Johanna trug den Mädchentraum eines weißen Cinderellakleids aus Unmengen von Taft, Seidenrosen und Spitze. In den Stoffmassen sah die junge Frau aus wie ein riesiges Baiser. Der Schleier auf ihrem Kopf bauschte sich derart, dass der Mann an ihrer Seite fast dahinter verschwand. So wie er anscheinend auch aus ihrem Leben verschwunden ist, dachte Theo.
    »Erstaunlich, es gibt überhaupt keine Jugendfotos«, bemerkte er.
    »Die einzige ältere Aufnahme ist diese hier.« Er hielt ein Schwarz-Weiß-Bild hoch. Darauf waren zwei junge Frauen zu sehen. Die eine hatte lange blonde Zöpfe und trug eine gestreifte Schwesterntracht. Vor ihr saß ein junges Mädchen in einem Rollstuhl. Ihre Glieder waren spastisch verrenkt und verkrümmt. Trotzdem lachte sie fröhlich in die Kamera. Theo drehte die Fotografie um. »Maja und Line, Mai 1943«, stand da.
    »Lass mal sehen.« Fatih griff nach dem Bild. »Tatsächlich, das ist Line.« Er ließ das Bild nachdenklich sinken. »Das muss damals gewesen sein, als die beiden sich kennengelernt haben. Die waren beide Krankenschwestern in so einer Art Heim, glaube ich.« Er blickte wieder auf das Bild. »Ich finde, sie hat sich eigentlich gar nicht so sehr verändert, Line meine ich.« Er reichte Theo das Bild zurück. »Und sonst gibt es keine Jugendbilder? Keines mit Anna? Ich würde zu gerne wissen, wie sie als junge Frau ausgesehen hat.«
    Lars schüttelte den Kopf. »Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass Menschen aus Anna Florins Generation kaum Fotos aus ihrer Jugend haben.« Lars nahm den Stapel wieder an sich. »Oft sind die Bilder im Krieg verloren gegangen. Zerbombt. Verbrannt. Verschüttet. Viel erstaunlicher finde ich, dass auch aus den Nachkriegsjahren kaum etwas existiert.«
    »Vielleicht war sie einfach ein Mensch, der in der Gegenwart gelebt hat«, spekulierte Theo.
    »Mag sein, aber sie hat ja nicht einmal Kinderbilder von ihrem einzigen Sohn«, gab Lars zu bedenken. Er hatte recht. Die einzigen Kinderbilder waren die ihrer Urenkelin. Rasch rechnete Theo nach. Erik war 1944 geboren worden. Ein Jahr vor Kriegsende. Wenn schon keine Babybilder, so hätte Anna doch auf jeden Fall Fotos von Erik als kleinem Jungen besitzen müssen.
    »Du hast recht, das ist wirklich seltsam«, meinte er.
    Fatih schwenkte einen Stapel Computerausdrucke. »Merkwürdig ist auch, was Anna vor ihrem Tod so getrieben hat.«

Kapitel 7
     
    Die Spinne im Netz
     
    Sonntag, 21. Dezember 2008
    »Hier, das ist Jonathan Bergman«, sagte Fatih. »Der Mann hat Anna in der letzten Woche ihres Lebens offenbar schwer beschäftigt. Sie hat sogar ein Foto von ihm abgespeichert.« Er legte einen Ausdruck vor Theo und Lars auf den Tisch. »Das war zwei Tage vor ihrem Tod …«
    Bergman und eine attraktive junge Frau, die sich offenbar Jackie Kennedy zum modischen Vorbild auserkoren hatte, standen an Bord einer Segeljacht. Die Frau trug eine übergroße Sonnenbrille und hatte sich ein Tuch fest um Kopf und Hals geschlungen. Dazu trug sie ein schneeweißes Kostüm im Marinestil. Der Mann neben ihr war auf eine unauffällige Weise ebenfalls gut aussehend: gerade Nase, schmaler, schön geschnittener Mund, flankiert von tiefen Kerben. Der Wind hatte sein dunkles Haar vorteilhaft zerzaust. Er trug einen weißen Seglerpulli mit V-Ausschnitt auf tief gebräunter Haut. Vor dem attraktiven Paar hielten sich ein Mädchen und ein Junge in Matrosenkleidung an den Händen.
    »Was für eine Bilderbuchfamilie«, kommentierte Lars.
    »Dieser Bergman sieht nicht nur gut aus, er ist auch ein kluger Kopf.« Fatih legte weitere Papiere auf den Tisch. Auf der Homepage des Kongresses hatte er einen Lebenslauf von Bergman gefunden. »Er scheint so eine Art Star der Hirnforschung zu sein. Übrigens war er ursprünglich Deutscher. Damals hieß er noch Bergman. Mit zwei ›n‹.« Fatih tippte auf einen der Ausdrucke. »Nach dem Krieg ist er nach New York ausgewandert. Seit 1953 ist er amerikanischer Staatsbürger. Damals hat er wohl auch seinen Namen amerikanisiert und sich fortan nur noch mit einem ›n‹ geschrieben: Mister Börgmän.«
    »Erstaunlich. Es

Weitere Kostenlose Bücher