Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)
dran sein.«
Nach dem Gespräch mit Hadice hatte Theo Hanna nach Hause gefahren. Sie war zu dem Gespräch mit der Polizistin mit der S-Bahn nach Wilhelmsburg gekommen. Ihren Wagen hatte sie ihrer Freundin Cora geliehen. Genau vor dem Haus, in dem Hanna wohnte, fand er eine Parklücke. Ein gutes Omen, dachte er. In Eimsbüttel waren Parkplätze Mangelware. Er holte tief Luft. Es war an der Zeit, die Sache zwischen ihnen zu klären. »Kann ich mit raufkommen?«, fragte er.
Da klopfte es an der Beifahrertür. Neben dem Wagen stand ein schlanker braun gebrannter Mann. Die Nachmittagssonne ließ sein sonnengebleichtes Haar aufleuchten, und beim Lächeln entblößte er eine Reihe perfekter Zähne.
»Herrje«, sagte Hanna. Theo hob fragend die Augenbrauen. »Das ist Martin.« Sie schnitt eine Grimasse. »Mein Mann.«
»Wer war der Kerl?«, hatte Martin stirnrunzelnd gefragt, als Theo mit versteinerter Miene davongefahren war.
»Das geht dich überhaupt nichts an, mein Lieber«, hatte Hanna gesagt. Doch als sie jetzt versuchte, Theo anzurufen, war es diesmal sein Handy, das ausgeschaltet war.
Donnerstag, 15. Januar 2009
Als der Anruf schließlich kam, traf er Fatih gänzlich unvorbereitet. In den letzten Tagen hatten er und Selçuk 277 Fenster in neun Villen geputzt.
»Sieh es einmal so, wenn es nicht klappt, haben wir immerhin gut verdient«, hatte Selçuk gesagt und zufrieden die Einnahmen gezählt.
»Das verdammte Geld interessiert mich nicht. Ich will in das verdammte Haus.«
Und nun sollte ihr Plan offenbar doch aufgehen. »William Fitzpatrick«, stellte sich die kultivierte Stimme vor. Ob sie am nächsten Tag in der Elbchaussee zum Fensterputzen kommen könnten. Fatih, der gerade versuchte, sich gleichzeitig die Jeans hochzuziehen und zu telefonieren, wäre fast der Länge nach hingefallen, als er die Adresse hörte.
»Das lässt sich einrichten. So gegen vierzehn Uhr? Geht klar.« Den Sportunterricht am Nachmittag würde er sausen lassen. Er tippte die Kurzwahltaste drei auf seinem Handy.
»Selçuk«, raunte er, »die Sache wird ernst.«
Freitag, 16. Januar 2009
Womit Fatih nicht gerechnet hatte, war der wilde Zorn, der durch seine Adern rauschte. Adrenalin pur. Bislang hatte er immer nur bis zu diesem Moment geplant, an dem er Annas Spuren folgend dem Mörder auf den Pelz rücken würde. Jetzt stand er vor der schmiedeeisernen Pforte des imposanten Anwesens und dachte nur an Rache.
»Verdammt, hier haben sie sie umgebracht.« Er schluckte. Selçuk legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Ganz locker bleiben, Alter.« Dennoch überließ Fatih lieber Selçuk die geschäftliche Transaktion.
Sie gingen in ihrer inzwischen bewährten Manier vor und arbeiteten sich von unten nach oben voran. Unten lagen immer die repräsentativen Räume, bei denen die Kunden viel Wert auf perfekte Arbeit legten. Im ersten Stock, wo meist die Schlafzimmer lagen, kam es weniger darauf an, und ihr mit bereits nachlassendem Elan vollzogenes Werk wurde weniger akribisch kontrolliert. Der dritte Stock war meist die Mansarde, in der früher die Dienstboten untergebracht waren. Neun Euro pro Fenster, Zuschlag für Sprossen, Doppelverglasung und Übergröße. Mechanisch fuhr Fatih mit seinem seifenwassergetränkten Schwamm über die Scheiben und zog anschließend mit dem extraweichen Gummiabzieher darüber. Schmutzige Wasserrinnsale bildeten sich an den Kanten, die er mit einem Lappen auffing. In Gedanken war er bei Anna. War sie hier gewesen, in diesem schönen Raum mit Elbblick? Gedankenverloren starrte er aus dem Fenster, bis Selçuk sagte: »Reiß dich zusammen.« Erst da bemerkte Fatih die schmutzige Pfütze, die sich auf dem kostbaren Parkett breitmachte.
Mittwoch, 10. Dezember 2008
Anna legte die Hände um das Gitter. Sie spürte, wie die Kälte durch ihre dünnen Handschuhe drang. Es war sicher einer der kältesten Tage dieses Winters. Bis zu minus dreizehn Grad hatte der Wetterbericht prophezeit. Noch war es hell. Sie warf einen Blick auf ihre billige Armbanduhr. 15.31 Uhr. Gerade richtig für Besuche bei älteren Herrschaften, fand sie. Entschlossen drückte sie die Klingel. Mit einem leisen Surren öffnete sich die Pforte. Anna schob die schicke Tasche ihrer Nachbarin wieder hoch auf die Schulter und schritt über den knirschenden Kies.
Geschmackvoll, dachte sie grimmig. Schön hast du es hier, du Dreckskerl.
An der Tür oberhalb der Treppe erwartete sie ein junger Mann. Anna warf einen flüchtigen Blick auf die
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