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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Talkshows im dritten Programm des
öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu Gast gewesen, er wusste nicht mehr, bei
welcher. Das war auch egal, irgendwie waren die ja alle gleich. Wenn es so
weiterging, würden bald täglich Talkshows im TV laufen, und das konnte ihm als Politiker nur recht sein. Zumal er schon bald
wissen würde, wie es war bei Beckmann, Illner, Anne Will und Co. Er lächelte.
Es würde ihm sicher nicht schwerfallen. Dann setzte er wieder sein besorgtes
Sitzungsgesicht auf. Immerhin handelte es sich um ein an einem Sonntag
kurzfristig anberaumtes Treffen mit ernstem Hintergrund. Und nicht von der Hand
zu weisenden Aufstiegschancen für den, der sich jetzt klug verhielt. Nach einem
letzten prüfenden Blick in den Spiegel verließ Philipp den Waschraum.
    »Ah, gut, dass Sie wieder da sind«, rief der Parteivorsitzende ihm
entgegen, als er den Sitzungssaal wieder betrat. »Sie müssen jetzt übernehmen,
kommissarisch, natürlich.« Er grinste schmierig. »Aber man weiß ja nie, was
draus wird – des einen Unglück ist des anderen Gelegenheit.«
    Allgemeines Nicken rundum, dann wurden zunächst die Formalitäten
besprochen. Zur Tat war nur so viel bekannt, dass Strüssendorf von einem
Zimmermädchen gefunden worden war, mit einer schweren Kopfverletzung, die durch
äußere Gewalteinwirkung entstanden war. Ob Überfall oder Unfall war noch offen.
Unklar blieb auch, wieso er im Hotel in Düsseldorf übernachtet hatte, obwohl er
mit seiner schwangeren Frau im nur rund dreißig Kilometer entfernten
Mönchengladbach wohnte. Erst ganz zum Schluss berichtete der Parteivorsitzende,
wie es dem Parteifreund momentan gesundheitlich ging – »Nicht gut, er liegt
immer noch im Koma« – und dass die Polizei sich nicht mehr entlocken ließ, als
dass man alles genau untersuchen und auch die Parteimitglieder befragen werde,
wenn nötig.
    Der Parteivorsitzende sah ernst von einem zum anderen, seine
Lockenfrisur zitterte leicht. »Stellen Sie sich darauf ein, meine Herren …« Er
stockte kurz und blickte schief in Richtung der einzigen Frau im Raum, die das
wohl schon kannte. »Äh, meine Damen und Herren, meine ich natürlich. Interne
Streitigkeiten helfen uns diesbezüglich nicht weiter, das können wir im Moment
überhaupt nicht gebrauchen, wir haben ganz andere Probleme.« Er sah alle am
Tisch noch einmal so eindringlich an, als sei schon ihre bloße Anwesenheit so
etwas wie ein Problem. Leider hatte er die Angewohnheit, immer leicht zu
schielen, wenn er jemanden besonders intensiv ansah. Ein Umstand, der, in
Kombination mit seiner recht eigenwilligen Frisur, zur Folge hatte, dass er
aussah wie ein grenzdebiler Pudel.
    Auch jetzt verfehlte der mahnende Blick seine Wirkung nicht. Ein
Teil der Sitzungsteilnehmer drehte sich auf den teuren Drehstühlen aus seinem
Blickfeld, andere kramten ganz dringend nach Taschentüchern, plötzlich
gebeutelt von Husten- und Schniefanfällen. Jemand grunzte halblaut. Der
Parteivorsitzende sah ihn scharf an. Dann seufzte er und versuchte es mit
Verständnis. »Sie müssen doch verstehen, dass niemandem damit geholfen ist,
wenn durch diese Situation all diese kleinen, äh, ja …«, ihm fehlte das richtige
Wort, »… all diese Nickligkeiten an die Öffentlichkeit kommen.«
    Jetzt nickten wieder alle eifrig, auch wenn der eine Teil der
Anwesenden sich fragte, was er konkret damit meinte, und der andere, ob es das
Wort »Nickligkeiten« in der deutschen Sprache überhaupt gab. Gab es, wenn auch
in anderer Bedeutung, als der Vorsitzende meinte.
    ***
    Rosenmair hätte seinen Spaß an den Gestalten gehabt, mit denen
sein De-facto-Schwiegersohn sich berufsmäßig umgab, und das nicht nur wegen
ihres manchmal abenteuerlichen Umgangs mit der deutschen Sprache. Tatsächlich
schweiften seine Gedanken gerade wieder ab zu dem Anlass, wegen dem Ann-Britt
und Philipp gestern bei ihm gewesen waren: die Hochzeit. Er hatte die Einladung
in der Hand, als Larry einparkte. Sportlich wie immer.
    Philipp und Ann-Britt hatten sich in der Reha-Klinik in der Eifel
kennengelernt, in der Ann-Britt arbeitete. Philipp hatte einen Kreuzbandriss
vom Tennis auskurieren müssen, und irgendwo dazwischen hatten sich die beiden
ineinander verliebt. Das Tennisspielen hatte Philipp seitdem aufgegeben; er
hatte ohnehin nur damit angefangen, weil in der Jungen Union alle Tennis
spielten. Inzwischen war Philipp zu Golf übergegangen, weil in der FDP alle Golf spielten. Mit der Regierungsbeteiligung
der FDP in NRW hatte er

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