Das letzte Hemd
mehrfach beteuert hatte, er sei stubenrein und habe
in ihre Begonienbeete »eigentlich« noch nie gemacht,
erst mal in den Garten verbannt. An Rasen schien er allerdings nicht
interessiert zu sein. Erko, so hieß Beckers neuer Hausgenosse offiziell, lag
jetzt auf einer Decke und schlief. Offiziell, weil er den Namen vermutlich
selbst so bescheuert fand, dass er inoffiziell beschlossen hatte, nicht darauf
zu hören. Worauf wiederum Becker sich entschied, dies einfach zu akzeptieren.
Er betrachtete Erko durch die geschlossene Terrassentür. Vielleicht
wäre ja ein Hund auch etwas für ihn? Irgendwie hatte der Gedanke, dass wieder
ein Lebewesen auf einen wartete, wenn man nach Hause kam, etwas für sich. Aber
jetzt ging erst einmal der Urlaub vor, den wollte er unter keinen Umständen und
auf gar keinen Fall gefährden. Frau Jansen hatte ihm hoch und heilig
versprechen müssen, den Hund rechtzeitig wieder abzuholen. Danach würde man
sehen, rein hundetechnisch. So konnte er mit Erko schon mal üben.
Er wollte sich gerade erneut in seine USA -Prospekte
vertiefen, die er sich ganz altmodisch in einem Reisebüro in Mönchengladbach
besorgt hatte, als sein Telefon klingelte. Die Kollegen waren schon wieder im
Einsatz, in der Nacht hatten drei weitere Autos gebrannt, an drei verschiedenen
und ziemlich weit auseinander liegenden Stellen der Stadt. Gleich morgen früh
sollte es eine aktuelle Lagebesprechung geben. Becker seufzte. Es sah nicht so
aus, als würde die Zeit bis zu seinem Urlaub mit entspannter Schreibtischarbeit
vergehen.
***
Philipp Lindner saß in seinem Büro und versuchte, sich in seinem
neuen Aufgabenbereich zu orientieren. Sein Terminkalender für die nächsten
Wochen war voll, schließlich musste er Strüssendorf an allen Ecken und Enden
ersetzen. Von morgens bis abends gab es Ausschuss- und Fraktionssitzungen, dazu
Presse- und Vor-Ort-Termine, die ihm besonders verhasst waren, da man da immer
mit den Bürgern, sprich: dem gemeinen Volk, zusammenkam. Und mit dem hatte
Philipp seiner persönlichen Ansicht nach wenig gemein.
Um die Hochzeitsvorbereitungen würde sich vor allem Ann-Britt
kümmern müssen. Gut, dass sein Vater einen Großteil der Organisation übernommen
hatte, die Hochzeit durfte auf keinen Fall verschoben werden, gerade jetzt
nicht, wo er an entscheidender Stelle saß. Für die Wahlen war es extrem
wichtig, ein intaktes Familienbild zu zeigen. Ein frisch und glücklich
verheirateter Politiker mit attraktiver Gattin war für die Außenwirkung Gold
wert, das brachte Wählerstimmen. Er sah die Schlagzeilen der Boulevardblätter
schon vor sich, die er natürlich selbst diskret mit entsprechendem Material
versorgen würde: »Wenn die Liebe hinfällt: Politischer Hoffnungsträger heiratet
seine Physiotherapeutin.«
Philipp rief sein Mailprogramm auf. Seit Ann-Britt und er
beschlossen hatten, nach der Hochzeit zusammenzuziehen, war er bei den
einschlägigen Internet-Immobiliendiensten angemeldet und hatte auch schon
diverse Angebote bekommen. Bei der Gegend hatten sie sich noch nicht wirklich
festgelegt, natürlich kamen Düsseldorf und Umgebung in Betracht, für Ann-Britts
Job in der Eifel wäre aber alles südlich von Düsseldorf besser. Zuletzt hatte
sie ihm von einem alten Bauernhof bei Jüchen, zwischen Mönchengladbach und
Grevenbroich, vorgeschwärmt, aber das kam für ihn schon allein wegen der um die
Ecke liegenden Braunkohleabbaufläche »Garzweiler II «
nicht in Frage. Und eigentlich wollte Philipp gar nicht, dass seine Frau
arbeitete, da war er so konservativ wie sein Vater und die Partei, in der seine
politische Karriere begonnen hatte, ganz zu schweigen von der, in der er gerade
Karriere machte.
Zuerst hatte er ja nur in eine größere Wohnung in
Düsseldorf-Oberkassel ziehen wollen, wo er jetzt schon eine »kleine
Junggesellenbude« bewohnte – so bezeichnete er die siebzig Quadratmeter große
Dachgeschosswohnung über zwei Ebenen gern gegenüber anderen. Eine wirklich
schöne Wohnung, aber leider nicht geeignet für ein Paar – auch wenn er mit
einer langjährigen »Bekannten« bis vor Kurzem dort problemlos Stunden zu zweit
verbracht hatte. Jetzt war sie nach Berlin gezogen, und er spielte den treuen
Ehemann.
Außerdem hatte seine Wohnung nur eine Pantryküche, die ihm zwar voll
und ganz reichte, da er entweder essen ging oder irgendwelches mitgebrachtes
Fastfood und Tiefkühlgerichte aufwärmte. Aber Ann-Britt kochte nicht nur gut,
sondern auch gern; zumindest in
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