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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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dieser Hinsicht kam sie nach ihrem Vater, und
dafür brauchte es eine vernünftige Küche mit Arbeitsflächen und Stauraum. Doch
das war auch in Oberkassel nicht so einfach zu finden.
    Die Immobilie musste natürlich repräsentativ sein, auch das konnte
für die Außenwirkung von Nutzen sein. Im Grunde war es Philipp aber egal, wo
sie wohnten; er würde sowieso nicht viel zu Hause sein, wenn alles nach Plan
lief. Wer an die Macht wollte, musste Zugeständnisse machen. Später würde es
noch genug Gelegenheit zur trauten Zweisamkeit geben.
    In dieser Hinsicht war Gerhard Schröder so etwas wie ein Vorbild für
ihn, auch wenn die SPD in Philipps Augen
natürlich die falsche Partei war. Aber Schröder hatte die Macht gewollt, mit
aller Konsequenz, dann den Bundeskanzler gegeben, Fäden gezogen, Connections
aufgebaut und Freundschaften geschlossen. Als es mit der politischen Macht
vorbei war, hatte er aus einigen der lukrativsten Aufsichtsratsposten wählen
können und seine Männerfreundschaft mit einem »lupenreinen Demokraten« zu barer
Münze gemacht. Vielleicht wollte er einfach nur beweisen, dass auch die Russen
das System des Kapitalismus inzwischen verstanden hatten – für Schröder galt
das auf jeden Fall. Denn im Grunde war auch heute noch die SPD für Gerhard Schröder die falsche Partei. Aber das
war jetzt nicht mehr wichtig.
    Philipp besah sich die Angebote der Makler. Mehrere fragten schon
wegen konkreter Besichtigungstermine an, auch das würde Ann-Britt übernehmen
müssen. Er suchte nach seinem Blackberry und drückte auf die Kurzwahltaste.
    ***
    Larry und Rosenmair bogen auf den Platz vor Larrys Bauernhof in
Niederkrüchten ein. Wie immer standen dort bestimmt zehn verschiedene Fahrzeuge
herum, von denen man nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob sie noch in
Gebrauch oder aus Rücksicht auf die restlichen Straßenverkehrsteilnehmer
ausgemustert worden waren. Ein hellblauer Opel Rekord, vermutlich aus den
sechziger Jahren, war definitiv nicht mehr in dem Zustand, auf irgendeiner
Straße bewegt zu werden. Das wäre auch schwierig, da der Wagen keine Räder mehr
hatte und zu einem guten Teil vom Efeu zugewuchert war, das an allen Seiten der
Scheunenwand emporrankte. Larry parkte lässig quer, sodass jetzt wirklich
keiner mehr raus oder rein konnte, stieg aus und gab Rosenmair zu verstehen, er
solle kurz im Wagen auf ihn warten, er wolle nur schnell was holen. Dann ging
er ins Hauptgebäude.
    Rosenmair wollte das Radio einschalten, gab aber nach ein paar
vergeblichen Knopfdrückversuchen auf. Dieses High-Tech-Gerät war wahrscheinlich
mit Larrys Gehirnströmen oder seiner Herzfrequenz synchronisiert und gehorchte
nur dem Herrn und Meister. Oder es wurde über eins von Larrys Mobiltelefonen
ferngesteuert, wie so ziemlich alles hier. Manchmal dachte Rosenmair, dass ihm
eines Tages vermutlich ein überdimensionales Smartphone die Tür öffnen und
formvollendet Kaffee und Gebäck anbieten würde.
    Aus Langeweile begann er, in Larrys Unterlagen zu blättern, die
offen in der geräumigen Mittelkonsole lagen. Eine Spedition wurde von ihrem
Auftraggeber, einer anderen Spedition, verdächtigt, Umwege zu fahren, um auf
halber Strecke unter der Hand weitere Ware aufzunehmen oder auszuliefern, aber
die gesamte Strecke in Rechnung zu stellen. Rosenmair wunderte sich, dass die
Spedition die Ware nicht selbst ausfuhr, aber es schien in der Branche üblich
zu sein, Subunternehmen zu beauftragen. In einem anderen Fall ging es um das
bereits vierte beschädigte Mobiltelefon eines Nutzers, das kurz vor Ablauf der
Garantiezeit mal wieder so unglücklich runtergefallen war, dass die
Versicherung komplett Ersatz leisten sollte. Was Larry dabei zu tun hatte, war
Rosenmair ein wenig schleierhaft, aber irgendwas würde es schon sein, für das
die Versicherungen ihn bezahlten. Auf dem nächsten Blatt las er noch den Namen
einer Filmproduktion, aber dann war Larry wieder da und stieg ein. Rosenmair
legte den Schnellhefter zurück auf die enorme Ablage und meinte skeptisch: »Das
klingt ja nicht eben spannend.«
    Larry startete den Wagen, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr
reichlich schwungvoll vom Hof. Hinter ihm quietschte und hupte es kurz. Er hob
beschwichtigend die Hand. Dann nickte er zustimmend. »Ja, spannend ist es
meistens wirklich nicht. Aber ein paar Sachen haben Potenzial.«
    Welche und für wen, ließ er offen. Nur dass er an einem ganz
bestimmten Fall dran war, der eine »große Sache« werden könnte, ließ

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