Das letzte Hemd
einem großen Korb herausgesucht hatte. » Impossible! Wie stellst du dir das denn vor? Das ist doch keine Clownsuniform. Ein Koch
arbeitet seulement in seiner Kochjacke, sonst ist er
kein Koch, sondern nur ein Küchenhelfer.«
Rosenmair hörte sich die Entgegnung ganz ruhig bis zu Ende an, dann
nickte er fast verständnisvoll. »Aha. Und warum darf ich dann nicht tragen, was
ich möchte, und mich aufregen, wenn es nicht geht? Nur weil ich mich nicht an
unschuldigem Gemüse vergehe, keine Küchenhelfer herumscheuche und dennoch weiß,
wie man abwäscht? Also das genaue Gegenteil von dem, was ein Koch tut?«
Rosenmair deutete mit theatralischer Geste auf sich selbst. »Ich war Richter
und bin Pensionär oder Pensionist, wie ein alter dänischer Freund immer gesagt
hat. Also sag du mir nicht, was ich anziehen darf und was nicht.«
J.P. starrte ihn an. Dann griff er
wieder nach den Zwiebeln und begann, sie in atemberaubender Geschwindigkeit zu
schälen und zu schneiden. Rosenmair wartete. Er wusste, dass da noch etwas
kommen würde. Er wusste auch, dass er ein wenig übers Ziel hinausgeschossen war – einem Koch vorzuwerfen, er vergehe sich an Gemüse, war kaum zu verzeihen.
J.P. war fertig mit den Zwiebeln. Er
nahm eine Pfanne und wollte schon nach dem Öl greifen, als er innehielt. Er
ging stattdessen zum Kühlschrank, nahm die gut gekühlte, bereits geöffnete
Weißweinflasche, die dort stets bereitstand, griff sich im Umdrehen geschickt
zwei Weingläser aus dem Regal und donnerte alles zusammen vor Rosenmair auf den
Tisch. Dann schenkte er wortlos ein und reichte dem Richter ein gut gefülltes
Glas. Sie stießen an, prosteten sich zu, tranken. Der Wein war perfekt, J.P. wusste das. Und dann kam es. »Was soll das
eigentlich heißen, ich weiß nicht, wie man abwäscht?«
***
»Calzone?« Larry traute seinen Augen nicht, aber er blickte
tatsächlich in die Augen seines alten Schulfreundes. Und der grinste ihn breit
und ein bisschen hämisch an.
»Mensch, Larry, was treibst du dich denn auf fremden Grundstücken
rum? Ich hab dich schon von dahinten beobachtet. Mann, die Anschleichnummer war
ja ganz großes Kino! Machst du das jetzt beruflich?«
Larry winkte ab und sah seinen Kumpel von damals an. Calzone trug
einen grünen Overall und hatte so etwas wie eine Rosenschere in der Hand. Auf
seiner Brust prangte ein Namensschild, »T. Höllke« stand darauf. Larry
begann zu lachen und zeigte auf das Schild, das ihn offensichtlich an etwas
sehr Amüsantes erinnerte. »Das hatte ich ja schon völlig vergessen. Da fehlen
allerdings ein paar Ös. Wie lange ist das jetzt her?«
»Viel zu lange.« Calzone drehte sich halb um, damit Larry die
Aufschrift auf der Rückseite lesen konnte: »Green Thumb & Friends« stand in
fröhlichen Lettern auf seinem Rücken, darunter in kleinerer Schrift: »Tom
Höllke, Ihr Mann für Bäume, Beete, Garten« und eine Mobilnummer.
Larry nickte anerkennend. »Calzone in Baum, Beet und Garten – wer
hätte das gedacht?«
Natürlich hieß Calzone nicht Calzone, eigentlich hieß er nicht mal
Tom, sondern Thomas Höllke, und er und Larry waren schon zusammen zur Schule
gegangen, als Larry noch Lothar hieß und von nicht wohlmeinenden
Klassenkameraden nur »Lothar Lallemann« genannt wurde, weil er gern und viel
redete. Auch Thomas hatte ihn so genannt, als sie noch nicht befreundet gewesen
waren. Er war dafür von allen anderen immer nur »Thöööllke!« gerufen worden,
nach Wim Thoelke, dem Moderator der TV -Sendung
»Der große Preis«, meist gefolgt von einem Knutschgeräusch und dem hämischen
Zusatz: »Samstag in acht Tagen«. So hatten damals die Zeichentrickfiguren Wum
und Wendelin den Einsendeschluss für die Teilnahmekarten verkündet.
Larry Lallemann und Tom Thoelke freundeten sich an, wurden dicke
Kumpels und gründeten gemeinsam ihre erste Band, Larry am Keyboard, Tom am
Bass. Zu dieser Zeit ging es nach fast jeder Probe mit allen Mann zu einem
unschlagbar günstigen Italiener mit beschränkter Speisekarte, bei dem sich Tom
jedes Mal nach langer Auswahlprozedur für die Pizza Calzone entschied – was
stets zur Folge hatte, dass der Rest der Band ihm so lange aufzählte, was sich
so alles an Scheuß- und Unappetitlichkeiten in dieser zusammengeklappten
Resterampe befand, bis das Gericht an den Tisch kam. Irgendwann übernahm ein
Grieche den Laden, der Name Calzone blieb. Auch Larrys Spitzname stammte aus
dieser Zeit, doch das war eine andere Geschichte.
Larry erzählte in
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