Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
Vom Netzwerk:
auch nichts verpasst. Aber
warum willste …« Er unterbrach sich selbst. »Ach was, kann mir ja auch egal
sein. Deibel ist jedenfalls vom Stamme Nimm. Der würde auch noch am Tag mit
freiem Eintritt im Zoo nach einem Nachlass fragen.«
    »Also eigentlich der geborene Politiker«, konnte Rosenmair sich
nicht verkneifen zu sagen.
    Lindner lachte wieder dröhnend und begann zu erzählen, diesmal
erstaunlich zielgerichtet. Im Grunde bestätigte er, was Rosenmair schon von
Frau Kindermann erfahren hatte, nur wurden die Dimensionen jetzt klarer. Deibel
hatte so ziemlich jeden möglichen und unmöglichen Vorteil aus dem
Braunkohletagebau gezogen, sowohl beruflich als auch privat. Für Lindners Firma
hatte er früher etliche Geschäfte als Subunternehmer ausgeführt, sich aber
irgendwann immer mehr an einen direkten Konkurrenten gebunden, einen alten
Schulfreund von Deibel. »Bernd Vahrenhorst.« Lindner spuckte den Namen förmlich
aus.
    Rosenmair stutzte. »Ich dachte, der hieß Emil oder Adolf oder sogar
beides.«
    »Nein, das war der alte Vahrenhorst, einer davon. Ich weiß nicht
mal, ob es der Vater, Onkel oder Großvater war, ist ja auch egal, die Firma
heißt jedenfalls immer noch so. Der Bernd hat sich jedenfalls im großen Stil
mit so einem windigen Typen zusammengetan, der in ganz Europa alte Lagerhäuser,
Industriegelände und so weiter aufkauft und darauf Billig-Fitnessklubs baut.
Keine Ahnung, warum, aber das läuft wohl super. Der veranstaltet jetzt sogar
diese Karnevalsumzüge, wo das junge Gedöns vollgedröhnt hinter irgendwelchen
Wagen mit lauter Musik herzieht.«
    Rosenmair sah da jetzt keinen so gewaltigen Unterschied zum
alljährlichen Rosenmontagszug, außer dass die Musik dort noch ein bisschen
schlimmer war, aber er hielt die Klappe. Er meinte sich zu erinnern, dass Papa
Lindner auch irgendwo Karnevalspräsident war. Selbst darüber erstaunt, dass er
sich so etwas gemerkt hatte, hakte Rosenmair nach. »Aber mit Vahrenhorst
hattest du geschäftlich nie zu tun, oder?«
    Lindner winkte heftig ab. »Nee, der war mir auf Anhieb
unsympathisch, dat jeht dann nich. Von dem Vahrenhorst heißt es, dass der sich
die Hälfte seiner Firma von Versicherungen hat finanzieren lassen, aber das
weiß man natürlich nie genau. Die Leute reden viel …«
    Rosenmair nickte. Er verstand. Und war sich sicher, dass auch
Karl-Heinz Lindner zu »diesen Leuten« gehörte. Er wartete nur darauf, dass sein
Gegenüber wieder wie vorhin misstrauisch wurde, aber für Lindner schien es ganz
natürlich zu sein, dass sich jemand nach seinen Geschäftsbeziehungen
erkundigte. Also fragte Rosenmair munter weiter. »Die Explosion in der
Lagerhalle zuletzt hast du ja sicher mitbekommen?«
    Lindner nahm einen Schluck Bier. »In Gladbach? Ja, klar, furchtbar,
furchtbar. All die Toten …« Sein Blick schweifte in die Ferne, durch die
Kneipe. Dann gab er mit einem knappen Nicken Order nach weiteren Bieren und sah
Rosenmair direkt an. »Ich meine, man hat als Arbeitgeber doch auch so etwas wie
eine Sorg-falts-pflicht seinen Angestellten gegenüber.« Er sprach das Wort so
akzentuiert und gestelzt aus, dass man den Eindruck gewinnen konnte, er habe es
auswendig gelernt. Rosenmair kannte das, seine Kollegen am Arbeitsgericht waren
vom selben Schlag gewesen. Und eigentlich waren die auch nicht viel besser als
die klassischen Sklaventreiber, sie kannten sich nur besser in der Gesetzgebung
aus. Oder hatten Leute dafür.
    Er blieb dran. »Na ja, Angestellte waren das ja eigentlich nicht,
wenn man’s genau nimmt, waren sie eher so was wie Subunternehmer.« Jetzt
blickte Lindner doch etwas misstrauisch, und Rosenmair beeilte sich, ein »Hab
ich gehört« hinzuzufügen.
    Lindner nickte verständnisvoll und senkte die Stimme. »Natürlich
weiß jeder, dass das nur Mauscheleien sind, Scheinselbstständigkeit. Den
Arbeitern erzählt man was vom großen Geld, das sie dann verdienen können,
brutto für netto et cetera pp. Und meist ist das Ende vom Lied, dass sie
entweder mehr Steuerabzüge haben als vorher und damit sogar weniger verdienen,
bei vollem Risiko. Oder sie vergessen, sich selbst krankenzuversichern, und
dann stehen sie da, wenn so was passiert wie in der Lagerhalle.«
    Rosenmair nahm Karl-Heinz Lindner nicht einen Moment ab, dass er
solche Tricks seiner Konkurrenz verurteilte, aber er hatte doch den Eindruck,
dass Lindner noch vom alten Schlag war, der wenigstens ein bisschen was auf
Anstand und Arbeitgeberehre hielt. Und auf

Weitere Kostenlose Bücher