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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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und ging.
    In der plötzlichen Stille hob Yoakum die Hand. Zwischen Daumen und Zeigefinger war weniger als zwei Zentimeter Luft. »Verdammt, manchmal ist es so nah davor.«
    »Was?«
    »Dass einer wegen einer Dummheit gefeuert wird.«
    Sie starrten einander ein paar Sekunden lang an, und dann ging Hunt, immer noch wütend, hinaus in den Korridor. Er drückte den Feuerlöscher zurück in die Halterung. Als er sich umdrehte, sah er, dass Yoakum wartete.
    »Hassen Sie mich nicht, nur weil ich schön bin«, sagte Yoakum, und Hunt spürte, wie ihm eine Last von den Schultern fiel. »Wie kommt Johnny auf die Idee, dass es ein Cop war?«, fragte Hunt.
    »Weil es einer war?«
    »Wieso glaubt ein Junge, jemand sei ein Cop? Was bringt einen Dreizehnjährigen dazu? Eine Dienstmarke? Etwas, das der Kerl gesagt hat? Oder getan hat?« Hunt befingerte die Handschellen an seinem Gürtel. »Handschellen? Eine Waffe?«
    »Eine Uniform?«
    Sie standen da, umgeben von dem Geruch nach feuchtem Zement, und dachten darüber nach. Johnny war ein merkwürdiges Kind, aber er hatte einen guten Instinkt und war clever. Das schien niemand sonst zu begreifen. Wenn Johnny vermutete, dass ein Cop beteiligt war, musste es einen Grund dafür geben. Hunt versuchte sich die Situation vorzustellen: dunkle Nacht, zwei Männer in einer Bruchbude, Johnny am Fenster...
    »Haben Sie die Berichte über die gestohlenen Autokennzeichen gelesen?«, fragte Hunt.
    »Was?«
    »Die Autokennzeichen.«
    »Hab ich gelesen. Und?«
    »Der Mann, den Johnny bei Jarvis gesehen hat, benutzte gestohlene Nummernschilder. Drei sind uns bekannt. Von den dreien, die gestohlen wurden, hatte ein Besitzer keine Ahnung, wo oder wann er es verloren hatte. Die beiden andern waren ziemlich sicher.«
    Etwas regte sich in Hunts Hinterkopf, und Yoakum sah es ihm an.
    »Was ist?«
    »Zwei der Kennzeichen wurden auf dem Parkplatz der Mall gestohlen.«
    »Das ist ein guter Ort, um Nummernschilder zu stehlen.«
    »Das gilt aber auch für den Flughafen, das Krankenhaus oder ein Dutzend verschiedener Einkaufsmeilen.« Ihre Blicke trafen sich, und beide hatten gleichzeitig denselben Gedanken. Handschellen. Pistolen. Uniformen. Ein Wachmann.

ACHTUNDDREISSIG
    J ohnny grub die Erde auf. Es zerrte an seinen Wundnähten, aber er ignorierte den Schmerz. Er tat es aus einem bestimmten Grund. Das sagte er sich. Immer wieder. Levi Freemantle saß mit schlaffen Lippen auf dem Boden, die gespreizte Hand auf dem rohen Kiefernholzsarg, und beobachtete Johnny aufmerksam — Johnny und jede Schaufel Erde, die aus dem Boden kam. Er nickte, als der Junge auf einen Stein stieß, ihn heraushebelte und aus der Grube wuchtete.
    »Danke.«
    Johnny hörte es kaum, doch das machte nichts. Er hatte es schon zwanzigmal gehört, kleine Dankesgaben, die immer wieder kamen, während er arbeitete. Er nickte nur und grub weiter. Die Sonne brannte vom Himmel, und im Süden türmten sich Gewitterwolken auf. Johnny sah Jack an und hielt ihm die Schaufel entgegen. »Willst du auch mal?«
    »Nein danke. Nicht nötig.«
    Zehn Minuten hatte Jack mit erhobenem Revolver dagestanden. Als er ihn schließlich sinken ließ, bemerkte es nur Johnny. Jetzt saß er auf der Mauer und hielt die Waffe im Schoß. Er schlug nach den Moskitos und sah gelangweilt aus.
    In gewisser Weise war Johnny froh, dass Jack sich weigerte zu graben. Johnny wusste nichts über Levi Freemantle — nicht, warum er hier war oder wie seine Tochter gestorben war, aber was der Mann verloren hatte, wusste er besser, als Jack es jemals würde wissen können.
    Also grub er unter Schmerzen. Er dachte an das, was David Wilson bei der Brücke gesagt hatte: Ich hab sie gefunden. Das entführte Mädchen. Voller Panik und blinder Angst war er weggelaufen, bevor Wilson ihm hatte sagen können, was er meinte. Aber Freemantle war nach ihm da gewesen. Johnny beäugte den riesigen Mann. Die Schaufel stieß herab und kam schwer wieder hock Er war nach ihm da gewesen.
    Wenn David Wilson noch gelebt hatte, als Freemantle ihn fand. dann hatte Wilson vielleicht ihm gesagt, wo er das Mädchen gefunden hatte. Vielleicht wusste Freemantle es. Johnny warf die Erde zur Seite, und Freemantle senkte den Kopf.
    Vielleicht.
    Johnny hörte das Wort, während er grub.
    Vielleicht.
    Nach mehr als einer Stunde landeten zwei Krähen auf einem unteren Ast der Eiche in der Mitte des Friedhofs. Johnny bemerkte es nur, weil Freemantle plötzlich still wurde und sich dann über den Sarg beugte: Er starrte

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