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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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von Katherine fernhalten.
    »Können wir einfach dasitzen?«, fragte sie. »Einfach still dasitzen?«
    Hunt ließ seinen Zorn und seine Besorgnis auf sich beruhen. »Natürlich«, sagte er, und sie saßen schweigend da, während sein Kaffee kälter wurde und die Fernsehteams aufgaben und wieder in ihre Wagen stiegen. Nach einer Weile bemerkte er, dass sie etwas in den Händen hielt. Sie drückte die Handflächen aneinander und presste die Hände mit den Knien zusammen.
    »Ich war heute in Johnnys Zimmer. Sie wissen schon ...«
    Sie sprach nicht weiter, aber Hunt sah sie vor sich, wie sie die Sachen des Jungen berührte und sich angestrengt bemühte, die Angst und die Zweifel zu unterdrücken.
    »Ich hab die hier gefunden.« Sie nahm die Hände auseinander, und Hunt sah einen Stapel seiner Visitenkarten. Sie waren zerknittert, abgegriffen und feucht. Katherine hob den Kopf und sah ihn an. »Neunzehn Stück.«
    Eine verblüffende Klarsicht leuchtete in ihren Augen, und Hunt war plötzlich seltsam verlegen. »Johnny sollte nur wissen, dass er jemanden anrufen kann«, sagte er. »Wenn es mal schlimm wird.«
    Sie nickte ohne Überraschung. »Als ich die entdeckt hatte, hab ich mich im Haus umgesehen und all die Karten gefunden, die Sie mir gegeben haben. Viele hab ich weggeworfen, das weiß ich, aber ich hab trotzdem noch ein Dutzend gefunden.«
    »Das ist mein Job«, sagte Hunt.
    Die Klarsicht blieb. »Wirklich?« Hunt schaute weg. »Sie waren immer da für uns.«
    »Jeder gute Polizist wäre das.«
    »Das glaube ich nicht.« Ihre Schulter streifte kurz die seine, und er spürte einen elektrischen Schlag, einen blauen Funken, der knisterte und brannte. »Danke«, sagte sie, und sie saßen in der Stille nebeneinander, sie beide, Seite an Seite. Sie zog die Beine unter sich, faltete die Hände im Schoß und legte den Kopf an seine Schulter. Er spürte ihren schmalen Arm an seinem, spürte ihre warme Haut, während der kalte Regen an das Fenster trommelte. »Danke«, sagte sie noch einmal.
    Hunt hielt ganz still.

VIERZIG
    D as Unwetter war so heftig, dass Johnny nichts von der Sonne sah, als sie hinter der Erdkrümmung verschwand. Stechend kalter Regen fiel, und die Temperatur sank. Die Luft wurde grau, dann blau, dann fast schwarz, aber Johnny rührte sich nicht — nicht einmal, als ein weiß glühender Blitz herabfuhr und die Luft spaltete, dass es krachte wie ein zerbrechender Fels. Er kauerte sich an die Mauer und sah zu, wie Levi Freemantle die letzten Reste nasser Erde auf das Grab schob, alles mit der Schaufel glatt klopfte und sich hinsetzte. Das Wasser rann in Strömen an dem riesigen Mann herunter, und als er in den nassen Boden einsank, sah es aus, als steige der Schlamm um ihn herum auf. Nichts davon fühlte sich real an. Johnny zuckte kaum zusammen, als Jack sich über die Mauer beugte. »Johnny.«
    »Du hast mich allein gelassen«, sagte Johnny.
    Jack beugte sich weiter herüber, und sein Kopf war ganz nah. »Du wirst hier draußen umkommen.«
    »Der Blitz fällt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nichts. Ich weiß es nicht.« Der Himmel strahlte auf. Johnny zeigte auf die alte Eiche. »Das ist der Baum, an dem sie aufgehängt wurden.«
    Jack schaute zu dem Baum hinüber. Die mächtigen Äste waren weit ausgebreitet und wogten rastlos hin und her, schwarz im grellen Licht der Blitze. »Woher weißt du das?«
    Johnny rollte die Schultern. »Fühlst du es nicht?«
    »Nein.«
    »Der Friedhof wurde um die Eiche herum angelegt. Drei Grabsteine an der Wurzel.« Er deutete darauf. »Sieh doch, wie klein sie sind. Wie roh behauen.«
    »Scheiße, ich kann überhaupt nichts sehen.«
    »Aber sie sind da.«
    »Du drehst durch, Johnny.«
    Johnny sagte nichts.
    »Da ist ein Ofen in der Scheune. Ich hab Feuer gemacht.«
    Johnny starrte Freemantle an. »Ich kann hier nicht weggehen.«
    »Du bist seit Stunden da draußen. Der geht nirgendwohin. Sieh ihn doch an.«
    »Ich kann es nicht riskieren.«
    »Hast du mal darüber nachgedacht? Ich meine, wirklich nachgedacht? Der begräbt hier sein Kind, Mann, und so, wie der Sarg aussah, würde ich sagen, er hat sie hier zum zweiten Mal begraben. Das bedeutet, er hat sie aus einem anderen Grab ausgebuddelt. Weißt du überhaupt, wie das Mädchen gestorben ist? Oder warum er sie den ganzen Weg hierhergeschleppt hat, um sie unter die Erde zu bringen, wo niemand es sieht?«
    »Wir haben es gesehen.«
    »Wir wissen doch nicht mal, ob es wirklich seine Tochter ist.«
    Licht floss aus einer

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