Das letzte Kind
Detective?«
»Ich hab sie vor ein paar Jahren kennengelernt.«
Cross bewegte den Kopf hin und her. »Sie hat sich verändert. In den letzten paar Jahren ...« Er zögerte und rang nach Worten. »Sie ist sehr religiös geworden. Die letzten dreißig Stunden hat sie fast ausschließlich in der Kirche verbracht, sie hat kaum gegessen oder geschlafen und nur gebetet, hauptsächlich für Jack. Sie hat Angst, er könnte mit dem kleinen Merrimon unterwegs sein. Wenn ich ihr sagen könnte, dass er es nicht ist —«
»Wieso macht ihr das Sorgen? Warum Johnny?«
Cross warf einen bekümmerten Blick nach nebenan und senkte die Stimme. »Sie behauptet, sie sieht etwas Dunkles auf Johnnys Seele. Einen Fleck.« Peinlich berührt verzog er bei diesen Worten das Gesicht, als müsse er sich dafür entschuldigen. »Ich weiß, ich weiß. Aber so ist es. Sie glaubt, Johnny ist schlecht für Jack. Das macht ihr mehr Sorgen als alles andere. Sie ist nicht ganz in Ordnung, wissen Sie.« Er blinzelte und senkte den Kopf. »Sie hat zu kämpfen.«
»Tut mir leid, das zu hören.« Hunt machte eine Pause. »Machen Sie sich Sorgen wegen Jack?«
»Ach, er hat so was schon öfter gemacht. Normaler Teenagerblödsinn. Aber zwei Nächte — wenn es zwei Nächte waren ... das ist ungewöhnlich.«
»Weshalb hatten Sie Streit?«
»Jack betet den kleinen Merrimon an. Ich meine, wirklich. Wie einen Bruder. Ja, wie einen Heiligen. Ich kann es ihm nicht abgewöhnen.«
»Und deshalb haben Sie gestritten?«
»Jack ist ein schwächliches Kind, eher wie seine Mutter, nicht wie sein Bruder. Er ist ängstlich und leicht zu führen. Mal abgesehen von der Irrationalität meiner Frau — Johnny hat tatsächlich schlechten Einfluss auf ihn. Er ist aufsässig. Beschädigt, wissen Sie. Ich habe Jack gesagt, er soll sich von ihm fernhalten.«
»Johnny ist ein guter Junge, aber all das hat ihn aus der Bahn geworfen.«
»Genau. Er ist im Arsch.«
»Er ist traumatisiert.«
»Das sag ich ja.«
Hunt unterdrückte seinen Frust. Nicht jeder sah Johnny so wie er. »Was wollen Sie von mir, Cross? Soll ich Jacks Namen mit auf die Fahndungsliste setzen?«
»Nein. Um Gottes willen, nein. Sagen Sie mir nur Bescheid, wenn Sie was hören. Seine Mutter ist durcheinander und denkt nicht mehr klar. Sie gibt mir die Schuld. Je eher ich ihr sagen kann, dass alles okay ist...«
»Ich verstehe.«
»Danke, Hunt. Ich bin Ihnen was schuldig.«
Cross ging hinaus. Hunt blieb in der Tür stehen und sah, wie Yoakum wieder hereinkam. Sein Zorn war offensichtlich nicht verraucht. Er war kaum eingetreten, als der Chief seine Tür weit öffnete. »Hunt. Yoakum.«
Der Chief ging ihnen voran und um seinen Schreibtisch herum, aber er blieb stehen. Hunt kam als Erster herein. Rechts sah er die beiden unbekannten Männer. Beide waren über fünfzig, groß und kantig, mit zerfurchten, unerbittlichen Gesichtern. Der eine hatte silbergraues Haar, der andere braunes. Kein Gramm Fett am Leib. Große, schwielige Hände. Dienstmarken an den Gürteln. Pistolenhalfter. Hunt kam näher heran und warf einen Blick auf die Dienstmarken. SBI— State Bureau of Investigation. Nach ihrem Aussehen zu urteilen, hatten sie leitende Positionen. Professionelle, harte Männer.
Yoakum kam hinter Hunt herein. Er trat nach rechts und stellte sich zwischen Hunt und die State Cops. Alle fünf waren große, kräftige Männer. Alle fünf wussten, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Problem war, die einen wussten mehr als die andern.
Der Chief machte sie miteinander bekannt. »Die Detectives Hunt und Yoakum. Das sind Agents Barfield und Oliver —«
»Special Agents«, korrigierte Oliver.
Ein Händeschütteln unterblieb. Auf dem Tisch lagen Kopien von Hunts Bericht über die Vorgänge in Meechums Haus. Yoakums Bericht war auch da. »Special Agents Barfield und Oliver kommen aus Raleigh. Sie waren so freundlich, gleich heute Morgen herzukommen.«
»Heute Morgen«, wiederholte Barfield, ohne zu lächeln. »Lustig.«
»Was ist daran lustig?«, fragte Hunt kühl.
»Es war eher letzte Nacht als heute Morgen«, sagte Barfield.
Hunt sah den Chief an. Wenn die beiden aus Raleigh kamen, mussten sie schon vor dem Morgengrauen losgefahren sein. »Warum sprechen wir mit dem SBI?«
»Keine Aufregung«, sagte der Chief. »Das gilt für alle. Wir werden das ordnungsgemäß erledigen.« Er sah seine Detectives an. Hunt war misstrauisch. Yoakum sah gelangweilt aus. »Ich brauche Ihre Dienstwaffen.«
Er hatte leise
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