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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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ich durch den Vordereingang hineingehen.«
    Hunt konnte es ihm nicht verdenken. Die Story würde wuchern. Und Yoakum würde dabei durch den Wolf gedreht werden. »Den werden sie bald genug haben.«
    Yoakum nickte und starrte auf die Rückfront des Reviers, eine Betonwand mit feuchten Flecken. »Bringen wir's hinter uns.-
    Gemeinsam überquerten sie den Parkplatz, aber die Anspannung zwischen ihnen wollte nicht weichen, die Erinnerung an das nächtliche Telefongespräch, an das, was gesagt und was nicht gesagt worden war. Am Eingang blieb Yoakum stehen. »Letzte Nacht, Clyde.« Er sah verlegen aus. »Mir war finster zumute. Verstehen Sie das?« Hunt wollte etwas sagen, doch Yoakum schnitt ihm das Wort ab; er öffnete die Tür und drückte mit der Schulter dagegen. »Tun Sie, was Sie tun müssen«, sagte er und wandte sich ab.
    Die Atmosphäre drinnen war energiegeladen. Hunt sah es an den lebhaften Bewegungen, an den Blicken, die ihnen zugeworfen wurden. Yoakum wurde empfangen wie ein Held. Händeschütteln. Schulterklopfen. Kinderschänder waren verhasst bei Polizisten, und in Meechums Haus hatte man Unmassen von belastendem Beweismaterial gesichert. Am erschreckendsten war ein dicker Stapel Fotos, die mit den Überwachungskameras der Mall aufgenommen worden waren. Die Mädchen darauf waren in einem Alter zwischen zehn und fünfzehn Jahren, linkisch und mit frischen Gesichtern. Sie saßen auf der Lebensmittelebene oder fuhren auf den Rolltreppen. Meechum hatte sie mit dicken schwarzen Filzstiftnotizen versehen: Rachel, Jane, Christine. Bei manchen Namen war er nicht sicher gewesen und hatte Fragezeichen dahintergesetzt: Carly? Simone? April?
    Auf einigen Fotos stand eine Adresse in der unteren Ecke. Sie wohnten in ruhigen Straßen, in Familienstraßen. Auf anderen Fotos war mit dunklem Stift das Alter unter Namen und Gesicht gekritzelt: Rache!, 12. Christine, 11. Die Bilder stammten aus der verschlossenen untersten Schublade von Meechums Schreibtisch, und bei ihrem Anblick hatte Hunt die Übelkeit gepackt — Übelkeit und Wut. Mehr als das, er hatte Mordlust verspürt. Recht oder Unrecht, es war gut, dass dieses Schwein tot war. Es lag sogar eine gewisse Schönheit darin, wie dieser Fall sich entwickelt hatte. Burton Jarvis war auf der Straße gestorben, halb nackt und um sein Leben winselnd, erschossen von einem seiner Opfer. Und Meechum war in seinem eigenen Haus zur Strecke gebracht worden, mitten ins Herz geschossen von einem der erfahrensten Detectives des Departments.
    Schönheit. Gerechtigkeit.
    Die meisten Cops lächelten, aber nicht der Chief. Der Chief sah ausgebleicht aus, und mitten auf seinen fleischigen Wangen leuchteten scharlachrote Flecken. Er stand in der Tür seines Büros und schaute heraus. Viertel nach sieben in der Frühe, und er war schon nass geschwitzt. Hinter ihm bewegten sich Schatten. Fremde Männer in dunklen Anzügen. Männer, die aussahen wie Cops.
    »Fünf Minuten«, sagte der Chief und schloss die Tür.
    »Wir sind früh dran«, sagte Hunt.
    Yoakum rollte die Schultern. »Ich geh eine rauchen.«
    Detective Cross sah ihm nach, als er sich durch den vollen Raum schlängelte. Dann stand er von seinem Schreibtisch auf und kam zu Hunt. »Kann ich unter vier Augen mit Ihnen sprechen?«
    Hunt führte ihn in sein Büro und schloss die Tür. Cross sah verwahrlost aus. Sein Hemd war zerknautscht und voller Kaffeeflecke. Er hatte sich nicht rasiert, und Hunt stellte fest, dass die meisten Bartstoppeln weiß waren. »Was gibt's?«
    »Irgendwas Neues von dem kleinen Merrimon?«
    »Wir hoffen darauf.«
    »Aber noch nichts?«
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Hunt.
    »Mein Sohn Jack. Ich kann ihn nicht finden.«
    »Was soll das heißen, Sie können ihn nicht finden ?«
    Cross fuhr sich mit seinen dicken Fingern durch das Haar. »Wir hatten Streit. Er hat sich aus dem Haus geschlichen.«
    »Wann?«
    »Gestern Abend.« Er schwieg kurz. »Vielleicht vorgestern.«
    »Vielleicht ...?«
    »Ich bin nicht sicher. Vielleicht ist er vorgestern verschwunden, oder gestern Morgen. Ich bin schon früh aus dem Haus gegangen und hab ihn nicht gesehen. Bei all dem, was in der Zeitung steht, wissen Sie — meine Frau macht sich Sorgen. Mehr, als sie es sonst vielleicht täte. Und mit Sorgen wird sie nicht gut fertig.«
    »Ihre Frau macht sich Sorgen, aber Sie nicht.«
    Cross rutschte nervös hin und her, und Hunt begriff, dass er mehr als nur besorgt war. Cross hatte Angst. »Kennen Sie meine Frau,

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