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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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hielt den Jungen fest im Arm. »War es hier, Johnny?« Johnny schluckte. »Ja, hier.« Er streckte den Zeigefinger aus.
    »Auf dieser Seite da. Direkt darunter.«
    »Erzähl mir noch einmal, was er gesagt hat. Wort für Wort.«
    Johnnys Stimme klang leblos. »Ich hab sie gefunden. Das entführte Mädchen.«
    »Sonst nichts?«
    »Ich soll weglaufen. Er meinte den Kerl in dem Auto.«
    Hunt nickte. Sie hatten es sechs- oder siebenmal durchgesprochen. Alles, was passiert war. »Nichts sonst, weshalb du dachtest, er spricht von deiner Schwester? Er hat ihren Namen nicht genannt und sie nicht beschrieben?«
    »Er hat von Alyssa gesprochen.«
    »Johnny —«
    »Doch!«
    Johnny senkte den Kopf im grellen Licht, und Hunt wollte ihm auf die Schulter klopfen und sagen, es werde schon alles gut werden. Doch es kam ihm nicht zu, alles zu richten, was kaputt war, so gern er es auch getan hätte. Er warf einen Blick auf Katherine Merrimon. Klein und unbewegt saß sie da, und er wollte auch sie berühren, aber solche Gefühle waren kompliziert. Sie war schön und sanft und beschädigt, allerdings war sie auch ein Opfer, und es gab Vorschriften. Also konzentrierte sich Hunt auf den Fall, und als er sprach, klang seine Stimme hart. »Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, Johnny. Es ist ein Jahr her. Wahrscheinlich sprach er von Tiffany Shore.«
    Johnny schüttelte abwehrend den Kopf. Seine Mutter klang selbst wie ein Kind, als sie sagte: »Ich kenne Tiffany.«
    Das hatte sie schon zweimal gesagt, aber niemand kommentierte es. Johnny blinzelte. Er sah das verschwundene Mädchen vor sich: Tiffany war klein und blond, hatte eine Narbe an der linken Hand und erzählte jedem, der zuhörte, einen albernen Witz. Irgendetwas mit drei Affen, einem Elefanten und einem Korken. Sie war ein nettes Mädchen. Immer schon.
    »Der Mann auf der Brücke«, sagte Hunt. »Gibt es noch etwas, woran du dich erinnerst? Könntest du ihn identifizieren?«
    »Das war nur ein Schatten. Eine Bewegung. Ich hab sein Gesicht nicht gesehen.«
    »Und der Wagen?«
    »Ich weiß nicht. Hab ich doch gesagt.«
    Hunt schaute aus dem Fenster. Die anderen Polizisten stiegen aus ihren Wagen, und ihre Schatten fielen auf die nackte Betonbrüstung der Brücke. Hunt war unglücklich. »Bleibt hier«, sagte er. »Nicht aussteigen.«
    Er schlug die Wagentür hinter sich zu und betrachtete die Umgebung. Der Geruch des Flusses lag in der schweren, feuchten Luft. Von unten stieg Dunkelheit herauf. Hunt schaute nach Norden, als könnte er das weite raue Land sehen, das auf Raven County herabdrängte: die versteinerten Wälder und den zwanzig Meilen breiten Sumpf dort am Fuße der Berge, der diesen Fluss erbrach. Ein kalter Regentropfen fiel auf seine Wange, und er winkte dem nächsten Cop. »Leuchten Sie mal hinüber«, sagte er. »Da hinunter.« Er trat an die Brüstung, während der Polizist eine Lampe aus seinem Streifenwagen holte und einen Speer aus Licht in die Dunkelheit schießen ließ. Beim Näherkommen schnitt der Lichtspeer ein Zickzackmuster in die Luft, und als der Cop den Strahl auf das Flussufer richtete, erfasste er die Gestalt auf dem Boden.
    Johnny Merrimons Fahrrad lag zwei Schritte weit daneben.
    O Gott.
    Der Junge hatte recht.
    Hunts Leute ringsherum kamen in Bewegung. Er hatte vier uniformierte Cops mitgebracht, und die Spurensicherung war einsatzbereit. Er hörte ein stakkatohaftes Prasseln auf der Windschutzscheibe, spürte, wie ihm weitere Tropfen auf den Kopf fielen. Der Regen war da, und er war stark. Hunt winkte den Leuten. »Decken Sie eine Plane über die Leiche. Schnell. Und Planen auf die Brüstung hier.« Er dachte an Lackspuren und an die Glasscherben, die auf dem Asphalt glitzerten. »Irgendwo hier müsste ein Motorrad liegen. Finden Sie es. Und jemand soll ein Zelt anfordern.« Es donnerte krachend, und er schaute zum Himmel. »Es wird unangenehm werden.«
    Johnny spürte, dass seine Mutter zu zittern begann. Es fing in ihren Armen an und wanderte hinauf in die Schultern.
    »Mom?«
    Sie ignorierte ihn und wühlte in ihrer Handtasche. Im unteren Bereich des Wagens war es dunkel, und sie hob die Handtasche ins Licht der Scheinwerfer. Johnny sah ein Auge, als sie den Kopf schräg neigte, dann hörte er das Rasseln und Klicken von Pillen in einem Fläschchen. Sie schüttete sie in die hohle Hand, warf den Kopf in den Nacken und schluckte sie trocken. Die Tasche fiel in den dunklen Fußraum, und ihr Hinterkopf schlug so heftig gegen die Kopfstütze,

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