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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Alyssa.
    Sein Vater würde zurückkommen.
    Sie konnten wieder in ihr altes Haus ziehen.
    Das Scheinwerferlicht erfasste ihn, und Johnny wich zur Seite aus. Sein Schatten floss nach links und löste sich auf, als der Wagen ihn erreichte und anhielt. Angst durchzuckte ihn, als er Kens Wagen erkannte. Ein Cadillac, ein großer weißer Offroader mit scharfen Kanten und der Aufschrift »Escalade« in goldenen Lettern. Kens Fenster glitt herunter. Er war so braun gebrannt, dass min die Säcke unter seinen Augen fast nicht sah. »Wo zum Teufel hast du gesteckt?« Atemlos schüttelte Johnny den Kopf. »Steig ein, Johnny. Sofort.«
    Johnny krümmte sich zusammen. »Ich kann nicht —« Er presste die Faust in die schmerzende Seite.
    Ken drückte den Schalthebel in Parkstellung und stieß seine Tür auf. »Quatsch nicht, Bengel. Steig einfach ein. Deine Mutter ist völlig aufgelöst. Die ganze Stadt ist in Aufruhr.« Ken stieg aus. Er war groß und schwer und so formlos, fand Johnny, wie es nur Männer im mittleren Alter sein konnten. Er trug eine goldene Armbanduhr und hatte schütteres Haar und Lachfalten, die Johnny sich nicht erklären konnte.
    Johnny hatte Mühe zu sprechen. »Weshalb aufgelöst?«
    Ken wedelte mit seiner breiten Hand. »Einsteigen. Sofort.«
    Johnny kletterte in den Wagen und rutschte über den weichen Ledersitz zur Beifahrerseite. Ken legte den Gang ein, und Johnny dachte an den toten Mann.
    Ich hab sie gefunden.
    Das Haus leuchtete wie ein Weihnachtsbaum. Innen und außen brannte Licht, und Polizeiwagen parkten schräg in der Einfahrt und ließen blaue Blitze über den Vorgarten zucken. Uniformierte Polizisten standen unter dem Abendhimmel, und Johnny sah Pistolen, Funkgeräte und glatte, glänzende Schlagstöcke an Metall-ringen.
    »Was ist los?«
    Ken öffnete die Tür und legte Johnny die Hand in den Nacken. Seine Finger bohrten sich in die dünnen Muskelstränge, und Johnny rollte die Schultern.
    »Das tut weh.«
    »Nicht so sehr, wie es sollte.« Ken zog ihn über den Sitz und aus dem Wagen. Er ließ Johnny los und sah die Cops mit jovialem Lächeln an. »Gefunden«, verkündete er, und sie blieben stehen, als Johnnys Mutter auf die Veranda herauskam. Sie trug Jeans und eine ausgeblichene, schokomilchbraune Bluse. Onkel Steve kam neben ihr aus dem Haus. Johnny machte einen Schritt auf sie zu, und seine Mutter stürzte ihm entgegen. Ihr Haar war zerzaust, ihre Augen waren feucht und wild. Sie schlang die Arme um seinen Hals und stammelte: »O mein Gott. Wo bist du gewesen?«
    Johnny verstand das alles nicht. Er war schon oft nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause gekommen. An den meisten Tagen wusste sie nicht mal, ob er im Bett war oder nicht. Über ihre Schulter hinweg sah Johnny, wie einer der Cops sein Funkgerät hob. »Zentrale? Siebenundzwanzig. Bitte informieren Sie Detective Hunt, dass wir Johnny Merrimon gefunden haben. Er ist zu Hause.«
    Eine knisternde Stimme wiederholte, was der Polizist gesagt hatte. Ein paar Sekunden später rauschte das Funkgerät noch einmal. »Siebenundzwanzig, hören Sie? Detective Hunt ist unterwegs zu Ihnen.«
    »Verstanden, Zentrale.«
    Johnny spürte, wie seine Mutter ihre Umarmung lockerte. Dann schob sie ihn von sich und schüttelte ihn plötzlich. »Tu das nie wieder! Nie wieder! Hörst du? Hörst du? Sag Ja! Sag's schon!« Sie riss ihn wieder an sich. »Mein Gott, Johnny. Ich hab mir solche Sorgen gemacht.«
    Johnny wurde geschüttelt und gedrückt und war so verdattert, dass er kein Wort herausbrachte. Die Polizisten kamen die Verandatreppe herunter, und Onkel Steve schaute ihn flehentlich an. Jetzt begriff er. »Hat die Schule angerufen?«
    Seine Mutter nickte an seinem Hals. »Gleich nach dem Lunch haben sie alles abgeriegelt. Sie haben hier angerufen und gesagt, sie finden dich nicht, und da hab ich deinen Onkel Steve angerufen, aber er hat gesagt, er hätte dich dort abgesetzt. Er hat's geschworen. Und dann bist du nicht nach Hause gekommen, und ich dachte ...«
    Johnny wand sich los. »Wieso abgeriegelt?«
    Seine Mutter streichelte ihm die Wange. »Ach, Johnny.« Ihre Finger fühlten sich zittrig und warm an. »Es ist wieder passiert.«
    »Was ist passiert?« Seine Mutter brach in Tränen aus. »Ein Mädchen ist entführt worden. Vom Schulgelände herunter, vermuten sie. Eine Siebtklässlerin. Tiffany Shore.«
    Johnny blinzelte. »Ich kenne Tiffany«, sagte er mechanisch.
    »Ich auch.«
    Ihre Stimme brach, aber Johnny wusste, was sie dachte.

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